Rezension zu Marilyn Monroe - Wer? (PDF-E-Book)
Psychologie heute Januar 2015
Rezension von Tilmann Moser
Mythos Marilyn
Über 50 Jahre nach ihrem Tod nähern sich Psychoanalytiker der
rätselhaften Schauspielerin aufs Neue
»Das Publikum war süchtig nach Marilyn, und Marilyn war süchtig
nach ihrem Publikum. Es gab ihr das Gefühl, etwas wert zu sein,
jemand zu sein, aber dieser Jemand war nicht sie. Oder nur zum
Teil«, schreibt die Wiener Schriftstellerin Ruth Cerha treffend in
der Einleitung. Fasziniert waren vor allem Männer, vom GI an der
Front bis zu ihren scheiternden Ehemännern. Aber auch Filmbosse,
die Kennedybrüder und schließlich die Promipsychoanalytiker, die
ihr zum Teil an die Filmorte nachreisten, waren ihr sehr
zugetan.
Monroes letzter Therapeut, der Staranalytiker Ralph Greenson, nahm
sie gar bei sich auf und versuchte – bisweilen mit zwei
Therapieeinheiten täglich – sie zu heilen. Er scheiterte kläglich,
ein umstrittener Selbstmord war das bittere Ende einer in jeder
Hinsicht Süchtigen. Süchtig auch nach der Kamera, ein Ersatz für
die Zuwendung der Mutter, die ihr fehlte.
Irene Bogyi hat eine Reihe von vorwiegend psychoanalytischen
Aufsätzen zu einem wichtigen Band vereinigt, deren besten sie
selbst geschrieben hat. Sie schildert ein Leben in Glanz und Elend,
von Höhenflügen und Abstürzen, Illusionen und Größenfantasien, in
denen Monroe zuletzt gar Greenson und die Psychoanalyse kurieren
wollte. Rühmenswert ist ihr politisches Engagement mit dem Einsatz
für Arme und Entrechtete.
Die Wiener Analytikerin bilanziert: »Hat die Diva kein Publikum
mehr, erlischt auch ihre Existenz.« Sie verweist klug auf die Rolle
des Spiegels als Instrument der Selbstwahrnehmung und zitiert
Lacans Theorie der frühen Selbstbegegnung im Spiegelstadium des
Kleinkindes.
Monroe hat die Männer verhext, war aber gleichzeitig ihr
missbrauchtes Opfer, nicht zuletzt in den drei Aufsätzen von
männlichen Analytikern, die sie gleichsam mit ihrem angestrengten
bis verstiegenen Begriffsapparat vergewaltigen, hinter dem sie
zerlegt verschwindet.
Schwer lesbar diagnostiziert August Ruhs »das schwere Los eines
Mangels an Existenzberechtigung«, noch komplizierter schreibt
Sebastian Leikert über das »Objekt« seiner Deutung: »Daneben wird
durch die Synchronisierung des apperzipierenden Körperselbst dem
perzipierenden Sensorium eine Koordination des erlebenden Körpers
erreicht, wie sie in den diskoordinierten Zuständen des
Alltagslebens verschlossen bleibt.« Und schließlich entdeckt
Andreas Jacke: »Monroe ist ein mediales Gespenst.« Er findet: »Die
Frau wird aufgrund ihrer puppenhaften Maskerade, ihrer Verkörperung
des Phallus degradiert zur Simulation. Also … ist die Frau,
insofern sie den Phallus hat, eine reine Täuschung. ... Das
Phantasma des Phallus enthält immer auch die vollzogene Kastration.
Und gleichzeitig verkörpert die Frau den Phallus, um ihre
Kastration zu verbergen.« – Alles klar?
Tilmann Moser
Irene Bogyi (Hg.): Marilyn Monroe – Wer? Psychoanalytische und
kunstwissenschaftliche Annäherungen an den Mythos