Rezension zu Der Soundtrack unserer Träume (PDF-E-Book)
Eppendorfer – Zeitung für Psychiatrie 11/2014
Rezension von Verena Liebers
Das Mikrofon im Sprudelglas
Therapeuten analysieren Klänge und Filmmusik
Ein Kinobesuch besteht nicht nur aus dem Betrachten von bewegten
Bildern, die eine Geschichte erzählen. Ganz wesentlich trägt die
Musik dazu bei, dass wir gebannt und konzentriert im Sessel sitzen.
Vor allem die Gefühle werden über Klänge besonders angesprochen.
Ein Krimi ohne dramatische Hintergrundmusik ist undenkbar und würde
seine Wirkung sicher verfehlen.
Die Filmfreunde und psychoanalytisch geschulten Therapeuten Konrad
Heiland und Theo Piegler haben in dem vorliegenden Band Beiträge
von 14 Autoren zusammengetragen, die das Thema Filmmusik aus ganz
unterschiedlicher Perspektive beleuchten.
Der Musiker Enjott Schneider lässt den Leser zum Beispiel an dem
Prozess des Komponierens teilhaben und beschreibt, wie es ihm
gelingt, das handwerkliche Können mit den Quellen des Unbewussten
zu verbinden. Auch im Interview mit der Musikerin Christina Fuchs
wird die Entstehung von Filmmusik aus Sicht des Komponisten
verfolgt. Konrad Heiland setzt sich dagegen differenziert mit den
Klangwelten der Regisseure David Lynch und Jean-Luc Godard
auseinander. Der Beitrag von der Psychologin und
Musikwissenschaftlerin Helga da la Motte-Haber zeigt fundiert, dass
ein Stummfilm keineswegs stumm ist. Wie nah sich Musik und Stille
sein können, indem sie einen schützenden Raum schaffen, der den
Hörer von der lärmenden Realität abgrenzt, beschreibt Johannes
Hirsch eindrücklich.
Allen Autoren ist gemein, dass sie von Filmen und ganz besonders
von deren Tönen fasziniert sind. Heiland, der sich als
Psychotherapeut und Musiktherapeut alltäglich dem Zusammenhang von
Musik und Seele widmet, erzählt, wie er schon als kleiner Junge mit
Klängen experimentierte und zum Beispiel begeistert feststellte,
dass sich mit einem Mikrofon im Sprudelglas das Plätschern von
Regen simulieren lässt. Überhaupt beziehen sich einige der Autoren
auf ihre Kindheitserfahrungen, eine Zeit voller Neugier und
Staunen, die später im Kino mitunter wieder gesucht wird.
Um einen Film zu genießen, ist es nicht notwendig, alle Symbole zu
verstehen. Vielmehr ist es Teil der Faszination, sich den
unbewussten Strömen zu überlassen, die per Leinwand berührt werden.
Dabei dient die Leinwand als Projektionsfläche für den Zuschauer,
der seine eigenen Ängste und Hassgefühle in den Protagonisten und
musikalischen Räumen wiederfindet.
Das Sachbuch richtet sich in erster Linie an Filmliebhaber, die
begreifen und erforschen wollen, wie Bilder und Klänge dazu
beitragen, uns in andere Welten zu entführen. Die zahlreichen, von
den Autoren begeistert geschilderten Filmbeispiele müssen im Buch
notwendigerweise ohne Klang und Bild auskommen. Wer die trockene
Lektüre nicht scheut, wird viele Anregungen zur, differenzierten
Wahrnehmung von Musik im Film bekommen.
Verena Liebers
www.eppendorfer.de