Rezension zu Identität und Tod

Punktum. Verbandszeitschrift des Schweizer Berufsverbandes für Angewandte Psychologie, September 2014

Rezension von Maria Gubelmann

Französische Psychoanalyse
Michel de M/'Uzan: Identität und Tod

Im März dieses Jahres ist das Buch »Identität und Tod« von Michel de M/'Uzan im Psychosozial-Verlag erschienen. Das Anliegen ist es, die klinische Erfahrung und die theoretische Verarbeitung in rund 60 Jahren psychoanalytischer Tätigkeit von Michel de M/'Uzan einem interessierten deutschsprachigen Publikum zugänglich zu machen. Die meisten Texte des Autors sind ursprünglich in französischer Sprache veröffentlicht worden, vor allem in seinen drei Büchern »De l’art à la mort« (1972/77), »La Bouche de I/'Inconscient« (1994) und »Aux confins de l/'identité« (2005).

Yvonne Frenzel Ganz und Michael Döhmann führen sorgfältig in dieses vielfältige Werk von Michel de M/'Uzan ein und kristallisieren drei Schwerpunkte heraus, auf denen der nun veröffentlichte Band aufgebaut ist. Im ersten Kapitel sind Texte versammelt, welche sich mit der psychischen Tätigkeit der Psychoanalytikerin, des Psychoanalytikers während der Sitzung beschäftigen. Ein Text, zum Beispiel, mit dem Titel »Deuten, für wen, warum?« ist erstmals in der »Revue Française de Psychanalyse« 3/83 veröffentlicht worden: «Interpréter: pour qui, pourquoi?».

Ein zweiter Schwerpunkt im Werk von Michel de M/'Uzan bilden seine Überlegungen zum Identitären, im Buch das zweite Kapitel. »Identitätsspektrum« ist der Schlüsselbegriff des Autors. Er betont immer wieder seine aus der klinischen Erfahrung gewonnenen Einsichten, dass das Ich sich in einem weiten Spektrum zwischen sich und dem Anderen bewegt, dass Identität kein abgegrenzter Zustand sein kann. Eine Voraussetzung für eine psychische Veränderung, wenn diese denn intendiert werde, sei im Gegenteil ein Stück weit die Verflüssigung der Identität in der Depersonalisierung.

De M/'Uzan wurde in seinem beruflichen Leben immer wieder von sehr schwer Kranken für eine Behandlung angefragt. Er hat sein Engagement in diversen Texten in einer berührenden Art analysiert. Er spricht von der «Passage», dem Übergang vom Leben zum Tod, und öffnet damit einen Raum für die psychische Tätigkeit des Sterbens während der letzten Periode des Existierens des Subjekts. Michel de M/'Uzan hat gelernt, dass die Schwerkranken ihn jeweils nicht für die Begleitung in den Tod anfragen, sondern mit aller Lebenskraft für eine letzte intensive Beziehungserfahrung. Zu einem Zeitpunkt, da Bindungen aufgelöst werden, kann überraschenderweise eine drängende Lebensfrage auftauchen, die in ihrer Bedeutung verstanden werden will. Zwei der Arbeiten in diesem dritten Kapitel des Buches sind »Letzte Worte« und »Der Tod gesteht nie«. Der Text mit dem Titel »Le travail du trépas« in der Übersetzung von Hans-Dieter Gondek (»Die Arbeit am Übergang«) verweist schon auf den nächsten, im August zur Veröffentlichung vorgesehenen Band von Michel de M/'Uzan: »Depersonalisation und Kreativität«.

Ein Glossar und eine sorgfältig aufgearbeitete Bibliographie sind in beiden Bänden eine große Hilfe für die Leserin und den Leser in dieser vielseitigen und in den Gedankengängen uns oft noch unvertrauten Denkweise.

Maria Gubelmann,
lic. phil., Zürich

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