Rezension zu Sterben im Krankenhaus (PDF-E-Book)

GMS Zeitschrift für Medizinische Ausbildung 2014, Vol. 31(3)

Rezension von Matthias Angstwurm

Wolfgang George, Eckhard Dommer, Viktor R. Szymczak: Sterben im Krankenhaus

Sterben im Krankenhaus ist ein Thema, das in der Ausbildung zum Arzt, in der Struktur eines Krankenhauses oder in den Aufgaben des Arztes im Krankenhaus leider oft noch eine untergeordnete Rolle spielt. Das Gesundheitswesen ist ausgerichtet auf lebensverlängernde Ziele, der Tod eines Patienten spielt eine untergeordnete Rolle.

Abhängig von regional unterschiedlichen Strukturen versterben bis zu 30% der Menschen im Krankenhaus. Andererseits wünschen sich je nach Umfrage 60% bis zu 75% der Bevölkerung, in ihrem privaten häuslichen Bereich zu versterben (repräsentative telefonische Umfrage des Deutschen Hospiz- und Palliativ Verbandes, Pressekonferenz DHPV- Pressekonferenz – 20.08.2012). In dieser Umfrage ist auch klar, dass das Thema Sterben im Vergleich zu früheren Analysen kein Tabuthema mehr ist.

»Nach der Berufsordnung haben Ärztinnen und Ärzte die Aufgabe, das Leben zu erhalten, die Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen, Leiden zu lindern sowie Sterbenden Beistand zu leisten. Die ärztliche Verpflichtung zur Lebenserhaltung besteht daher nicht unter allen Umständen. Es gibt Situationen, in denen sonst angemessene Diagnostik und Therapieverfahren nicht mehr angezeigt und Begrenzungen geboten sind. Dann tritt eine palliativmedizinische Versorgung in den Vordergrund. Die Entscheidung hierzu darf nicht von wirtschaftlichen Erwägungen abhängig gemacht werden.« (Bundesärztekammer, Deutsches Ärzteblatt, Jg. 108, Heft 7; 18. Februar 2011)

In der ärztlichen Approbationsordnung wird explizit festgelegt, dass der Medizinstudent in seinem zweiten Staatsexamen Kenntnisse zu Management und Betreuung von sterbenden Menschen aufweist. Der Prüfling hat insbesondere nachzuweisen, dass er »die allgemeinen Regeln ärztlichen Verhaltens gegenüber dem Patienten unter Berücksichtigung insbesondere auch ethischer Fragestellungen kennt, sich der Situation entsprechend zu verhalten weiß und zu Hilfe und Betreuung auch bei chronisch und unheilbar Kranken sowie Sterbenden fähig ist« (§28 ÄAPPO Absatz 8).

Vor diesem Hintergrund ist es sehr erfreulich, dass sich im vorliegenden Buch »Sterben im Krankenhaus« verschiedene Berufsgruppen dem Thema nähern. Die Autoren beschreiben ausführlich die aktuelle Situation, stellen Zusammenhänge dar und geben Empfehlungen. Einschließlich Theologen, Soziologen oder Juristen reicht das Spektrum der behandelten Personengruppen über die real betroffenen Personen der Pflege, Ärzte bis zu Personen im Management des Gesundheitswesens. Allerdings spielen ärztliche Meinungen und Haltungen zu diesem Thema eine untergeordnete Rolle.

Die Betreuung unheilbar Kranker und Sterbender sind dagegen häufige Anlässe von ärztlichen Konsultationen, sodass dies im Nationalen Kompetenz-basierten Lernzielkatalog für Medizin (NKLM) betont wird und in der Ausbildung für Studenten der Medizin diesem Gesichtspunkt eine besondere Bedeutung beigemessen werden sollte. In den professionellen Rollen eines Arztes wird das Thema des Sterbens klar adressiert. Es werden spezifische Themenkomplexe angesprochen und als Lernziele formuliert: die Kultur- und Zeitgebundenheit, weltanschaulich bedingte Unterschiede des Umgangs mit Sterben und Tod (Kapitel Ethik und Recht), Definition des Todes, Implikationen für medizinische Entscheidungen, multidisziplinärer Ansatz in der begleitenden Hilfe, differenzierte Handlungen am Lebensende, Symptomkontrolle, Akzeptanz von Sterben und Tod als Teil des Lebens, die ethischen und rechtlichen Grundlagen der Begrenzung potenziell lebensverlängernder Behandlungsmaßnahmen ...

Einige dieser Themen werden im vorliegenden Buch kursorisch gestreift. Verschiedene Aspekte wie biologische Fakten und Diskussionen, z.B. Hirntod/Organspende oder auch der »non-heart-beating donor«, werden ausgeklammert.

Folgende Themen werden erörtert:
- Hospiz
- Perspektive der Pflegewissenschaft
- Rolle der Palliativstation
- Intensivstation zwischen Sterbeprozess und medizinischer Versorgung
- Sterbebedingungen in Deutschland
- Empfehlungen zu Sterbebedingungen
- Qualität der Betreuung
- Ethische Aspekte
- DRG-System
- Sterben und Qualitätsmanagement
- Der Tod und das Leben
- Würdevolles Sterben durch arztentlastende Assistenten
- Versorgungsstruktur Schwerstkranker
- Gesundes Sterben

Art und Ausmaß einer Behandlung sind gemäß der medizinischen Indikation vom Arzt zu verantworten. Er muss dabei den Willen des Patienten achten. Bei seiner Entscheidungsfindung soll der Arzt mit ärztlichen und pflegenden Mitarbeitern einen Konsens suchen. Wie aus der Liste erkennbar befassen sich zwei Beiträge mit dem Sterben auf der Intensivstation, beide sind unter der Mitwirkung von Ärzten verfasst. Sehr gut werden in diesen Kapiteln mit aktuellen Studien begründet relevante Probleme angesprochen und diskutiert wie Entscheidungen bei Änderung von Therapiezielen. Dabei beschränken sich die Beiträge nicht auf eine Beschreibung der aktuellen Situation auf vielen Intensivstationen in Deutschland, sondern zeigen mögliche Ansätze der Kommunikationen und Interaktionen auf. In Zukunft könnten »ähnlich wie das ›Sepsis-Bundle‹ ... ›Palliative Care Bundle‹ helfen« (Gruß & Weigand S. 55), palliativmedizinische Aspekte in der Änderung von Therapiezielen von maximaler, auch apparativer Unterstützung und Therapie, hin zu einer Begleitung zu berücksichtigen. »Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.« (§ 1 Grundgesetz). »Auch auf der Intensivstation gilt: Sterben und Tod gehören zum Leben« (Pargger & Schäfer S. 64). Ein offensichtlicher Sterbevorgang soll nicht durch lebenserhaltende Therapien künstlich in die Länge gezogen werden. Darüber hinaus darf das Sterben durch Unterlassen, Begrenzen oder Beenden einer begonnenen medizinischen Behandlung ermöglicht werden, wenn dies dem Willen des Patienten entspricht.

»Die Aufgaben eines Akutkrankenhauses ist die Heilung von Patienten. Ein Sterbender steht der erlernten Arbeitsauffassung des Personals diametral entgegen – und wird fast schon als Betten-Blockierer abgestempelt« (V. R. Szymczak S. 191). Dies wird durch die finanzielle Berechnung der Erlöse wesentlich verstärkt, da bei Patienten mit sehr kurzem oder einem länger als durchschnittlichen Liegedauer im Krankenhaus sogar Abschläge vorgesehen sind, obwohl bei einem moribunden Patienten oder einem im Verlauf der Erkrankung versterbenden Patienten der Aufwand erheblich zunimmt.

Im Vordergrund des Buches stehen die Ergebnisse einer Studie aus Gießen, die über insgesamt 70 Seiten die Sterbebedingungen in deutschen Krankenhäusern beschreibt und Empfehlungen verfasst. Mit soziologisch-psychologischen Methoden wird eine Surveillance präsentiert, die mit den Ergebnissen einer ähnlichen Umfrage vor 25 Jahren verglichen werden.

Letztlich soll immer das Wohl des Patienten im Vordergrund stehen, und das kann auch der Tod sein. Die Optionen sollen innerhalb eines Behandlungsteams besprochen werden und ein Konsens gefunden werden. »Weithin anerkannte Prinzipien, an denen sich das Handeln von Ärzten und Pflegern orientiert, sind Respekt vor der Autonomie, Wohltun, Nicht-Schaden und Gerechtigkeit (Simon S.137)«. »Eine wesentliche Voraussetzung für die Durchführung einer medizinischen Maßnahme ist das Vorliegen einer entsprechenden Indikation« (Simon S. 138).

Das Buch »Sterben im Krankenhaus« gibt Hinweise auf einzelne Aspekte des Sterbens. Die vorgeschlagenen Empfehlungen und die Kapitel zu diesem Thema können die Grundlage einer Diskussion darstellen, die intensiv weitergeführt werden muss. Es ist das Verdienst der Autoren und Herausgeber, Aspekte zusammengefasst zu haben. Sehr zu begrüßen sind Literaturstellen nach jedem Kapitel sowie eine gute Präsentation der Autoren mit Beschäftigungsort und Forschungsschwerpunkten sowie Publikationen. »Sterben im Krankenhaus« kann eine Grundlage zu einem interdisziplinären Ansatz sein, dieses Thema in der medizinischen Lehre zu implementieren, die Bedeutung des Sterbens aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. Für Studenten, Ärzte, Pflegepersonal kann es als Lektüre und Arbeitsbuch empfohlen werden, da es viele Anreize für den Leser enthält, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Nicht vergessen sollte man aber: »Wir sollten uns nicht auf das Sterben im Krankenhaus konzentrieren, sondern darauf, dass Sterben und Tod zum Leben gehören« (C. Kranich S. 184).

Matthias Angstwurm – Ludwig-Maximilians-Universität München, Medizinische Klinik und Poliklinik IV, München, Deutschland

Eingereicht: 14. November 2013
Überarbeitet: 5. Juni 2014
Angenommen: 5. Juni 2014
Veröffentlicht: 15. August 2014

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