Rezension zu »Wir haben Geschichte geschrieben«
Der Freitag am 7. März 2014
Rezension von Peter Nowak
Gegen das Arbeitnehmerpatriarchat
Sibylle Plogstedt hat eine Geschichte der DGB-Frauen geschrieben,
die reale Kämpfe nur kurz erwähnt und linke Strömungen ausblendet,
wie es auch die DGB-Führung tat..
»Trotz aller gesellschaftlichen Fortschritte: der Internationale
Frauentag hat seine Existenzberechtigung nicht verloren«, heißt es
in einer Erklärung des DGB-Bezirks Berlin-Brandenburg zum 8. März.
Das war nicht immer so. 1980 wollte der DGB- Bundesvorstand
durchsetzen, dass sich gewerkschaftliche Frauen nicht an den
Aktionen zum 8. März beteiligen. Schließlich werde der in der DDR
gefeiert und Clara Zetkin, die als wichtige Initiatorin gilt, war
Mitglied der Kommunistischen Partei. Nachdem örtliche Initiativen
die Vorstandsanweisung ignorierten und die Zahl der Besucherinnen
gewachsen war, beschloss der DGB eigene Aktionen zum 8. März zu
organisieren. Dabei war man aber bemüht, den Tag von Clara Zetkin
zu trennen. Ein historisches Gutachten machte darauf aufmerksam,
dass der Anlass für den Internationalen Frauentag ein Streik von
Textilarbeiterinnen in den USA gewesen ist. Die heute weitgehenden
vergessenen Querelen um den 8. März im DGB verdanken wir dem Buch
»Wir haben Geschichte geschrieben«, dass Sibylle Plogstedt
herausgegeben hat. Die Autorin war als undogmatische Linke in der
außerparlamentarischen Bewegung aktiv und Mitbegründerin der
Frauenzeitung Courage. Die hatte anders als die heute bekanntere
Emma schon früh Kontakte auch zu Frauen in der
Gewerkschaftsbewegung gesucht.
Lange kein Geld für Geschichte der DGB-Frauen
Mit ihrer Geschichte der Frauen im DGB leistete Plogstedt
Pionierarbeit. Dabei hatten die DGB-Frauenausschüsse bereits 1980
den Beschluss gefasst, ihre eigene Geschichte aufzuschreiben.
Allerdings verfügte die Frauenabteilung über keinen eigenen Etat.
Diese Episode ist durchaus symptomatisch für den Umgang des
DGB-Apparates mit der eigenständigen Organisation der Frauen, wie
Plogstedt nachweist. Sie geht chronologisch vor und beschreibt die
Geschichte der gewerkschaftlichen Frauen von der unmittelbaren
Nachkriegszeit bis zum Jahr 1990. Dieses Jahr ist tatsächlich auch
für die DGB-Frauen eine Zäsur. Erstmals stehen die DGB-Frauen nicht
mehr unter der Ägide von CDU-Frauen. Dass mehr als vier Jahrzehnte
Mitglied von CDU/CSU für dieses Amt zuständig waren, ist allerdings
nicht der Wille der DGB-Frauen gewesen. Vielmehr zeigt Plogstedt
auf, wie die sich sogar dagegen wehrten. Doch der männlich geprägte
DGB-Vorstand wollte in ihren Augen zwei Minderheiten in einen
Posten unterbringen: Frauen und CDU/CSU-Mitglieder mussten in den
Führungsgremien einer Einheitsgewerkschaft wie sie die DGB-Spitze
verschwand, berücksichtigt werden. Die dagegen aufbegehrenden
Frauen wurden vom zuständigen Sekretär brüsk zurückgewiesen.
Plogstedt beschreibt die Folgen dieser bürokratischen Eingriffe.
Viele in der unmittelbaren Nachkriegszeit aktive DGB-Frauen
meldeten sich bei den Gewerkschaftskongressen kaum noch zu Wort.
Der Konflikt innerhalb der DGB-Frauengremien spitzte sich erst
Mitte der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts wieder zu. Während
dort eine Mehrheit für eine Reform des Abtreibungsrechts votierte,
lehnte es die Christsoziale Maria Weber aus Gewissensgründen ab,
den Beschluss nach Außen zu vertreten.
Abqualifizierung linker Gewerkschafter_innen
Plogstedt hat eine Organisationsgeschichte der Frauen im DGB
geschrieben, die man ohne historisches Vorwissen lesen kann und
sollte. Man entdeckt dort manche lange vergessene Episode der
DGB-Geschichte und stößt auf manche zu Unrecht vergessene
Diskussion. So wird an Claudia Pinls Schrift »Das
Arbeitnehmerpatriarchat« erinnert, das wahrscheinlich präzise jene
antifeministischen Strömungen in den männlichen
DGB-Funktionärsetagen beschrieb. Manche Gewerkschafterin bemerkte
schon mal, das Ausmaß des gewerkschaftlichen Antifeminismus sei
größer als die Abwehr gegenüber Frauen in bürgerlichen
Organisationen. Es ist Plogstedts Verdienst, an diese Debatten zu
erinnern. Allerdings sollten auch die kritischen Punkte nicht
vergessen werden.
Eine ähnliche Geschichte des FDGB wäre wünschenswert, denn der wird
in dem Buch ziemlich undifferenziert abqualifiziert, wie linke
Gewerkschafter_innen generell. Plogstedt konzentriert sich fast nur
auf die Organisationsgeschichte. Die gewerkschaftliche
Basisbewegung, die immer auch von vielen aktiven Frauen getragen
wurde, kommt dabei zu kurz. Fasia Jansen, die im Ruhrgebiet
jahrzehntelang viele gewerkschaftliche Kämpfe begleitet hat,
darunter die Streiks zur 35 Stunden-Woche, wird in dem Buch gar
nicht erwähnt. Immerhin wird in einem kleinen Kapitel auf die
Streiks der Heinze- und Pierburg-Frauen für gleiche Löhne für
gleichwertige Arbeit hingewiesen. Könnte die Konzentration auf die
gewerkschaftliche Organisationsgeschichte vielleicht auch damit zu
tun haben, dass in den Streikbewegungen auch Kommunist_innen aktiv
waren? Die mag Plogstedt gar nicht und ist sich dabei mit dem
DGB-Apparat einig. So verbannte die DGB-Führung die damalige
Gewerkschaftslinke Karin Roth aus Führungspositionen. Auch hinter
der anfänglichen Ablehnung einer gewerkschaftlichen Beteiligung an
den Aktionen zum 8.März standen Aversionen gegen linke
Gewerkschafter_innen. Plogstedt zeigt in ihrer Geschichte der
DGB-Frauen auch, welch eingeschränktes Verständnis von
Einheitsgewerkschaft in der Funktionärsetage von Anfang an
dominierte. Während in der Gestalt von Maria Weber die
christdemokratische und christsoziale Komponente auf der
Führungsebene in einer Person vertreten war, galten Linke oder gar
Kommunist_innen als Kräfte von außen, die die Gewerkschaften
vereinnahmen wollten. Dass Kommunist_innen genauso Teil der
Einheitsgewerkschaft DGB sein könnten wie Sozial- und
Christdemokrat_innen kommt der DGB-Führung gar nicht in den Sinn.
So hat Plogstedt neben der Geschichte der DGB-Frauen auch eine
Geschichte des Staatsapparates DGB geschrieben.
Peter Nowak
http://peter-nowak-journalist.de/
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