Rezension zu Trauma

Jahrbuch für Psychoanalytische Pädagogik 21

Rezension von David Zimmermann

Buchreihe »Analyse der Psyche und Psychotherapie«. Psychosozial-Verlag: Gießen (begonnen im April 2011)

Die folgenden drei Fachbegriffe haben im besonderen Maße den Weg in die Alltagssprache gefunden: Trauma, Unbewusstes und Perversion. Genau deshalb unterliegen sie der Gefahr einer beliebigen Anwendung. Es ist demnach zweifelsohne sinnvoll, dass die (mittlerweile fünf Bände umfassende) Reihe »Analyse der Psyche und Psychotherapie« im Psychosozial-Verlag mit Handbüchern zu genau diesen drei Aspekten beginnt. Sie sind in weiten Teilen auch für die Pädagogik von Relevanz, da sich sowohl ihre theoretische Entwicklung als auch die jeweiligen praktischen Auswirkungen nicht auf das therapeutische Setting beschränken, sondern auch eine wesentliche Grundlage für die pädagogische Einzel- und Gruppenarbeit darstellen.

Band 1: Mathias Hirsch: Trauma. Psychosozial-Verlag: Gießen, 2011, 138 Seiten
Der Trauma-Begriff ist zu einer Leitkategorie in der Therapie und in ausgewählten pädagogischen Arbeitsfeldern geworden. Insofern stellt das Buch von Mathias Hirsch einen wichtigen Beitrag zu einem vieldiskutierten Thema dar. Während im ersten Teil wesentliche historische und aktuelle Entwicklungslinien des Trauma-Diskurses aufgezeigt werden, stehen Fragen der diesbezüglichen Therapie im Fokus des zweiten Abschnitts. In den Mittelpunkt des ersten Teils stellt Hirsch die seiner Meinung nach grundsätzliche Unterscheidung von einerseits akuten und andererseits langfristigen Beziehungstraumatisierungen. Eine solche Unterscheidung kann in vielerlei Hinsicht sinnvoll sein und ermöglicht ein besseres Verständnis der hoch variablen Symptomatiken. Dennoch bleibt die sehr klare Dichotomisierung der zwei Traumatypen etwas unklar. Den Beziehungsaspekt von Akuttraumatisierungen möchte Hirsch auf die Regression des Opfers gegenüber dem Täter begrenzen; die vielfältigen anderen Beziehungselemente des traumatischen Prozesses, etwa die Frage nach den schützenden äußeren und inneren Objekten nach der Traumatisierung, werden (möglicherweise der Kürze des Bandes geschuldet) kaum beachtet.

Dieser Gegenüberstellung zweiter Typen von Traumatisierung folgend beschreibt Hirsch zu Beginn des zweiten Abschnitts, dass psychoanalytisch orientierte Therapie vor allem für langfristig und in relevanten Beziehungen traumatisierte Menschen geeignet sei. Die Anerkennung der realen Traumatisierung (zumindest dies gilt unzweifelhaft für Pädagogik und Therapie) und die Bedeutung einer partiellen, nicht absoluten Durcharbeitung der traumabezogenen Affekte seien demnach wesentliche Aspekte derartiger Traumabearbeitung.

Im letzten Kapitel skizziert der Autor die Bedeutung der Gruppentherapie bei Traumatisierungen. Nicht zuletzt interessiert hier die Frage des triangulären Raums in einem solchen Setting, der die reale Zeugenschaft gegenüber der traumatischen Erfahrung bzw. dem traumatischen Wiedererleben ermöglicht und Ressourcen zur Bewältigung bereitstellen kann.

Band 2: Günter Gödde, Michael B. Buchholz: Unbewusstes. Psychosozial-Verlag: Gießen, 2011, 138 Seiten
Der Band »Unbewusstes« von Günter Gödde und Michael B. Buchholz beschäftigt sich aus zweierlei Blickwinkeln mit dem titelgebenden Phänomen. Einerseits konzipieren die Autoren ein vertikales Modell, nach dem das Unbewusste dem Bewussten gegenübersteht. Dieser Stellung gemäß werde es stets auch bewertet, etwa als die Tiefe menschlichen Erlebens auszeichnendes Element der Psyche im Gegensatz zum oberflächlichen Bewussten. Andererseits entwerfen die Autoren einen horizontalen Resonanzraum, in dem das Unbewusste die (nonverbale und kognitiv nicht zugängliche) zwischenmenschliche Interaktion kennzeichnet. Beide Aspekte bilden jeweils den inhaltlichen Kern des ersten und zweiten Buchteils.

Einer leider unstrukturiert wirkenden Einleitung folgt ein nunmehr deutlich zugänglicheres erstes Kapitel, in dem die historische und geistesgeschichtliche Verwurzelung der Idee vom Unbewussten dargestellt wird. Der interdisziplinäre Blick und die Einordnung in allgemeine Leitgedanken der jeweiligen Epochen, von der Bewusstseinsphilosophie des frühen 18. bis zur Objektbeziehungstheorie in der Mitte des 20. Jahrhunderts, sind sehr erhellend. Schließlich lassen sich die Entdeckungen Freuds in eine längere Geschichte einordnen, ohne ihnen ihr Originäres zu nehmen.

Den Ausgangspunkt des zweiten Teils bildet die Beschreibung eines geteilten Unbewussten zwischen Analytiker und Patient. Ein solcher horizontaler Resonanzraum wird als maßgeblich nicht nur für die therapeutische, sondern ebenso für innerfamiliäre Beziehungen beschrieben. Dieser Raum sei wesentlich durch die Ko-Regulierung der Affekte gekennzeichnet und bilde das Bedingungsfeld für vertikal orientierte Analysen, demnach die Bewusstwerdung von lebensgeschichtlichen Erfahrungen. Die Autoren verbinden ihre vorgelegte Konzeption nunmehr mit Forschungsergebnissen anderer Wissenschaften, etwa der Hirnforschung und Kleinkindbeobachtung. In diesen mag es Hinweise auf ein horizontales Unbewusstes geben. Dennoch: Die Forschungszugänge und die gängigen Erklärungsansätze erscheinen zu unterschiedlich, als dass es im Rahmen eines knapp 140 Seiten umfassenden Bandes wirklich zu einer fruchtbaren fachverbindenden Diskussion kommen könnte.

In einigen Aspekten wäre demnach eine Fokussierung auf das Kernthema wünschenswert gewesen. Der vorliegende Band bildet nichtsdestotrotz einen sehr interessanten und vielfältige Aspekte aufgreifenden Beitrag zum Phänomen »Unbewusstes«.

Band 3: Wolfgang Berner: Perversion. Psychosozial-Verlag: Gießen, 2011, 139 Seiten
Mit dem genannten Buch von Wolfgang Berner liegt ein nicht nur für Therapeuten, sondern durchaus auch für analytisch interessierte (Sozial-)Pädagogen lesens- und nachschlagewerter Band vor. Schließlich ist auch in pädagogischen Arbeitsfeldern die Aufmerksamkeit für Phänomene wie Pädosexualität und exzessiver Pornografiekonsum in den letzten Jahren deutlich gewachsen (womit in gewisser Hinsicht eine Brücke zum Trauma-Band geschlagen wäre). Im Vergleich zu den anderen Bänden nehmen explizit therapeutische Überlegungen bei Berner einen ohnehin geringeren Raum ein, wobei dem Problem der erotisch-perversen Übertragung in der Therapie das letzte Kapitel gewidmet ist.

Die historische und aktuelle Begriffsdiskussion wird sehr gut nachvollziehbar dargestellt. Inhaltliche Schwerpunkte liegen auf der jeweiligen kulturellen Gebundenheit des Begriffsverständnisses sowie auf der Betonung des Funktionellen der Perversion, demnach des innerpsychischen Sinns, der dieser zugrunde liegt.

Möglicherweise zufällig und dennoch am richtigen Ort finden sich in der Mitte des Buchs kritisch-reflektierte Analysen zentraler Erscheinungsformen der Perversion (neben den oben genannten sind dies Fetischismus, Sadomasochismus sowie Exhibitionismus). Anhand von aus Therapien stammenden Falldarstellungen werden verschiedene Ausprägungen der jeweiligen Erscheinungsform beschrieben, teils aber auch kritische Nachfragen an den Sinn oder Unsinn der Typisierung gestellt.

Die drei die Buchreihe beginnenden Bände sind demnach in Aufbau und Stil sehr unterschiedlich angelegt. Davon unabhängig ist jedoch jeder für sich interessant und lesenswert. Für vielerlei auftauchende Fragen dienen sie zudem als bündiges Nachschlagewerk, sie haben deshalb einen guten Platz im Regal verdient.

David Zimmermann

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