Rezension zu Sexualität (PDF-E-Book)
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Rezension von Andreas G. Franke
Ilka Quindeau: Sexualität
Thema und Zielsetzung
Ilka Quindeau referiert im Rahmen der Reihe »Analyse der Psyche und
Psychotherapie« über Sexualität und erläutert diesbezüglich
zahlreiche Aspekte aus psychoanalytischer Perspektive, indem sie
die Werke Freuds referiert aber auch andere namhafte Autoren
einbezieht.
Autorin
Frau Prof. Dr. phil. Ilka Quindeau wurde 1962 in Duisburg geboren
und ist Psychologin und Soziologin. Sie studierte in Erlangen und
Frankfurt a.M., promovierte in Kassel und habilitierte sich an der
Universität Flensburg für Soziologie. Sie ist Psychoanalytikerin
und Lehranalytikerin (DPV/IPV) und Professorin für Klinische
Psychologie an der Fachhochschule Frankfurt a.M., lehrt am Institut
für Allgemeine Erziehungswissenschaften an der Johann Wolfgang
Goethe-Universität Frankfurt a.M. und arbeitet darüber hinaus in
eigener Praxis.
Quindeaus Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen der
psychoanalytischen Theoriebildung und Geschlechter-, Trauma- sowie
Biographieforschung. Zu diesen und weiteren Themen veröffentlichte
sie zahlreiche wissenschaftliche Aufsätze, einige Monographien und
gab einige Bücher heraus.
Entstehungshintergrund
Das Buch »Sexualität« ist im Rahmen der Reihe »Analyse der Psyche
und Psychotherapie« im Psychosozial-Verlag erschienen. Die Reihe
beschäftigt sich mit grundlegenden Konzepten und Begrifflichkeiten
der Psychoanalyse und stellt diese vor ihrem historischen
Hintergrund dar. Ilka Quindeau leistet zu dieser Reihe einen
kompetenten Beitrag über ihr Forschungsgebiet der Sexualität.
Aufbau und Inhalt
Ilka Quindeau beginnt ihr Buch mit einem Zitat Michael Balints über
die Schwierigkeiten in der Arzt-Patienten-Beziehung über Sexualität
zu sprechen, um dann in der Einleitung kurz den Inhalt der
folgenden 130 Seiten anzureißen.
Das erste Kapitel ist Freuds drei Abhandlungen über Sexualität und
seiner Triebtheorie gewidmet. Nach lobenden Worten über den
bahnbrechenden Charakter der Arbeiten Freuds im frühesten 20.
Jahrhundert und seine Überwindung des Leib-Seele-Dualismus,
schildert die Autorin zunächst das erweiterte Verständnis des
Begriffes der Sexualität bei Freud. Sie geht u.a. auf den Begriff
des »polymorph-perversen« ein, der für Freud lediglich zur
Beschreibung von Sexualformen diente, »die nicht dem Ziel der
Fortpflanzung dienen«. Nach diesen und weiteren einleitenden
Aspekten wendet sich Ilka Quindeau den drei Abhandlungen Freuds
über »Die sexuellen Abirrungen«, »Die infantile Sexualität« und
»Die Umgestaltung der Pubertät« zu. Sie stellt in diesem
Zusammenhang deutlich heraus, dass der (Sexual-)Trieb bzw. die
Libido unabhängig vom Objekt bestünde und es für die ersten
Lebensjahre diesbezüglich später den Modus der infantilen Amnesie
gäbe, welche u.a. der Verdrängung der (früh-)kindlichen Sexualität
diene. Gerade die Zeit vom Säuglingsalter bis zum fünften
Lebensjahr sei aber eine »Blütezeit« der (kindlichen) Sexualität.
Damit trete Freud entschieden dem bis dahin herrschenden Dogma
entgegen, »… dass der Geschlechtstrieb der Kindheit fehle […], um
in der Pubertät zu erwachen«. Die Charakteristika der kindlichen
Sexualität formuliert die Autorin wie folgt: »Sie entsteht in
Anlehnung an eine der lebenswichtigen Körperfunktionen, sie kennt
noch kein Sexualobjekt, ist auto-erotisch, und ihr Sexualziel steht
unter der Herrschaft einer erogenen Zone«. Erst in der Pubertät
bekomme der Sexualtrieb ein Objekt, die vorher wechselnden erogenen
Zonen ordneten sich der genitalen Zone unter, und die bisherigen
Sexualziele würden zu einem Sexualziel zusammengefasst. Der
Aufschub der sexuellen Reife ermögliche gemeinsam mit der
Erkenntnis und Introjektion moralischer Werte/Vorschriften eine
m.o.w. stabile Inzestschranke.
Im Fokus des nächsten Kapitels steht »Die Entstehung des
Sexuellen«, wobei die Autorin mit der »Universalität der
Verführung« beginnt und hier bereits illustriert, dass das
elterliche Bemühen um den Säugling den Ursprung seiner Lust
darstellt und Letzterer auf diese »Ansprache« reagiere. Die
Verführbarkeit sei somit die grundlegende Voraussetzung für
Interaktion und Entwicklung. Quindeau referiert auf Jean Laplanche
mit seiner Wendung des Augenblickes der Geburt als »Urverführung«.
Schließlich schließt die Autorin das Kapitel mit einem Unterkapitel
über »Die Bildung des sexuellen Körpers als Einschreibung« ab, um
sich im nächsten Kapitel dem »Umschriften: Entwicklung und
Variation des Sexuellen« zu widmen. Hier bezeichnet sie »Die
infantile Sexualität als das genuin Sexuelle«, um sich dann
»Variationen infantiler Sexualität« zuzuwenden. Hier beschreibt die
Autorin nun die Phasen der psychosexuellen Entwicklung: Sie betont
die Unstillbarkeit des Bedürfnisses des Saugens und Lutschens trotz
Sattheit in der oralen Phase; das erste Autonomiestreben sei die
Ersetzung der Brust durch das Lutschen an Fingern. Als nächste
Phase wird die »Analerotik« illustriert. Das Liebesspiel
manifestiere sich hier v.a. verbal und gestisch »rund ums
Töpfchen«. Hier schließt Quindeau Unterkapitel über
»Urethralerotik« sowie »Haut- und Blickerotik« an, bevor sie sich
der »Genitalerotik« zuwendet. Hier werde, so Quindeau, der
Ödipuskonflikt »zu Recht als zentraler Knotenpunkt in der sexuellen
Entwicklung betrachtet«. Die folgenden Unterkapitel sind geprägt
von den Ausarbeitungen Judith Kestenbergs. Mit einem Unterkapitel
über »Sexuelle Phantasien« schließt Quindeau das Kapitel über die
Umschriften schließlich ab.
Um »Sexuelle Orientierungen und Identitäten« geht es im nächsten
Kapitel, das die Autorin mit Ausführungen über »›Weibliche‹ und
›männliche‹ Sexualität« beginnt. Sie beginnt mit der aus den
Sozial- und Kulturwissenschaften kommenden Infragestellung der
notwendigen Persistenz der Zweigeschlechtlichkeit und polarisiert
die »althergebrachten« Ansichten über männliche und weibliche
Sexualität. In diesem Zusammenhang illustriert Ilka Quindeau die
Rolle der geschlechtsspezifischen Sozialisation anhand von
Beispielen des Umgangs von Müttern und Vätern mit ihren Söhnen bzw.
Töchtern, das direkt post partum geschlechtsspezifische Varianten
aufweise. Über »Sexuelle Orientierung« in Form von Homo- bzw.
Heterosexualität macht sich Quindeau in den folgenden Unterkapiteln
Gedanken. Zunächst stellt sie fest, dass Heterosexualität genauso
erklärungsbedürftig sei wie Homosexualität. Quindeau setzt sich
hier kritisch mit den Konzepten zahlreicher Autoren
auseinander.
Das Kapitel über »Sexualität und Psychotherapie« beginnt die
Autorin mit der folgenden Feststellung: »Vielfach wird inzwischen
konstatiert, dass sich das Sexuelle aus dem psychoanalytischen
Diskurs verflüchtigt habe;…«. Dem widerspricht sie entschieden und
führt dazu mehreren Fallvignetten ins Feld anhand derer sie
illustriert, wie sich gewisse v.a. frühkindliche (problematische)
Konstellationen in der Sexualität widerspiegeln. Auch sieht sie die
Angabe, Sexualität werde überbewertet oftmals als verdächtig auf
Abwehrvorgänge an. In den Unterkapiteln setzt sich die Autorin mit
mehreren Konzepten anderer Autoren auseinander und illustriert
vielseitig mit Fallvignetten. Sie macht deutlich, dass zu Freuds
Zeiten Potenzstörungen »einer der häufigsten Konsultationsgründe
bei PsychoanalytikerInnen waren…«; mittlerweile würde der mit
Abstand größte Teil solcher Patienten bei urologischen Fachärzten
vorstellig. In diesem Rahmen führt sie einige wissenschaftliche
Studien an und illustriert beispielsweise Vaginismus und
Kastrationsangst in zwei Fallvignetten. Es ist sicher nicht falsch,
den folgenden Satz als einen zentralen Pfeiler des Kapitels zu
zitieren: »An diesem Fallbeispiel (…) wird deutlich, dass das
sexuelle Symptom keine ›Störung‹ darstellt, sondern einen
unbewussten Konflikt inszeniert und das psychische Gleichgewicht
herstellt.«
Ilka Quindeau beschließt ihre Ausarbeitungen über die Sexualität in
der Psychoanalyse mit einem Kapitel über »Sexualität als
Seismograph« und macht bereits im Titel des Kapitels deutlich, dass
Sexualität psychische Konfliktsituationen anzeige und sichtbar
mache. Somit sei Sexualität keineswegs aus der Psychoanalyse quasi
heraus diffundiert und habe an Bedeutung verloren. Nichtbeachtung
des Sexuellen in der Übertragung rufe im Patienten eine Art
Bestätigung der Wahrnehmung seiner Liebeswünsche als problematisch
hervor.
Zielgruppe
Das Buch richtet sich genau wie die anderen Bücher dieser Reihe
sowohl an Studierende aber vor allem an ausgebildete
Psychotherapeuten aller Schulen und solche, die sich in der
Ausbildung befinden. Vorkenntnisse der psychoanalytischen
Nomenklatur und Zusammenhänge sind für die Lektüre von Vorteil.
Diskussion und Fazit
Ilka Quindeau schildert versiert ihre Vorstellungen über die
Sexualität in der Psychoanalyse und lässt neben Freud auch andere
Autoren zu Wort, die mitunter an Freuds Ausarbeitungen durchaus
Kritik üben. Dennoch sind die Ausarbeitungen Quindeaus durch große
Zustimmung zu den Lehren Freuds und Kritik an den modernen
Versuchen des Verlassens der ausgetretenen Pfade Freuds geprägt.
Dies schmälert aber die Aussagekraft und Objektivität der
Ausarbeitungen der Autorin keineswegs.
Ilka Quindeau liefert eine gut lesbare Zusammenschau von
psychoanalytischen (Er-)Kenntnissen, die weder neo-liberal noch
konservativ anmuten. Wenn auch dieser Beitrag zur Buchreihe weder
bahnbrechend neue Erkenntnisse enthält noch die psychoanalytische
Sexualtheorie auch nur ansatzweise erschöpfend behandelt, so
informiert die Autorin dennoch kenntnisreich, kurz und bündig über
die Thematik der Sexualität.
Rezensent
Prof. Dr. med. et Dr. disc. pol. Andreas G. Franke
M.A. Professur für Medizin in Sozialer Arbeit, Bildung und
Erziehung Hochschule Neubrandenburg
Zitiervorschlag
Andreas G. Franke. Rezension vom 06.06.2014 zu: Ilka Quindeau:
Sexualität. Psychosozial-Verlag (Gießen) 2014. 143 Seiten. ISBN
978-3-8379-2155-7. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245,
http://www.socialnet.de/rezensionen/16402.php, Datum des Zugriffs
06.06.2014.
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