Rezension zu Die dritte Haut
Wort und Antwort. Dominikanische Zeitschrift für Glauben und Gesellschaft Heft 1/2014
Rezension von Ulrich Engel OP
[1] Dieter Funke, Ich – Eine Illusion? Bewusstseinskonzepte in
Psychoanalyse, Mystik und Neurowissenschaften (Edition
Psychosozial), Psychosozial-Verlag Gießen 2011, € 29,90.
[2] Dieter Funke, Die Wunde, die nicht heilen kann. Die Wurzeln des
sexuellen Missbrauchs. Eine Psychoanalyse der Kirche,
Publik-Forum-Verlag Oberursel 2010,157 S., € 16,90.
[3] Dieter Funke, Die dritte Haut. Psychoanalyse des Wohnens
(Imago), Psychosozial-Verlag Gießen 2006,262 S., € 29,90.
Drei Bücher des Düsseldorfer Psychotherapeuten, Psychoanalytikers
und Theologen D. Funke sind hier anzuzeigen. Allen gemeinsam ist
ihr Plädoyer für »gutes Leben«. Die jüngste Publikation [1] fragt
dabei nach den Bedingungen und Grenzen verschiedener mystischer
Ich-Konzepte, etwa im Buddhismus, im Taoismus oder im
abendländischen Christentum von Meister Eckhart bis Willigis Jäger.
Viele mystische Konzepte sehen – ähnlich wie die
Neurowissenschaften – die Existenz eines »starken« Ichs eher
kritisch. Im Blick auf die »psychoanalytische Relativierung des
Ichs« (1, 19) interessiert sich Funke für die Frage, welche neuen
Sichtweisen sich ergeben, wenn das Ich als Illusion durchschaut
wird. Und andersherum: Welche Gefahren lauern, wenn man das Ich
nicht ernst genug nimmt? Theoretisch reflektierend und zugleich
durch eine Reihe von Fallbeispielen illustriert, plädiert der Verf.
für eine den spirituellen Bedürfnissen gerecht werdende
therapeutisch-psychoanalytische Haltung und Technik. »Gutes Leben«
in einer völlig anderen Hinsicht hat auch die dritte angezeigte
Buchveröffentlichung zum Thema [3], insofern Funke hier in
menschheitsgeschichtlicher Perspektive die Kultur des Wohnens
(Hausbau, Architektur, Einrichtung etc.) – das ist die titelgebende
»Dritte Haut« – als Ausdruck psychischer Grundbedürfnisse deutet.
In diesem Zusammenhang erkennt er in Uterus und Plazenta die erste
Wohnung eines jeden Menschen. Wohnen wird damit zur guten
Lebenskunst und ermöglicht so auch heilsame, »spirituelle« (3,249)
Erfahrungen. Im Gegensatz zu dieser positiven Perspektive behandelt
das letzte hier vorzustellende Buch [2] das Thema des guten Lebens
von seiner negativen Rückseite her. Funke thematisiert aus
psychoanalytischer Sicht Ursachen des sexuellen Missbrauchs in der
katholischen Kirche. Dass dabei der Fokus vor allem auf die
Kleriker und die Ideale ihres »Standes« gelenkt wird, verwundert
nicht. Funke geht es in seinem spannend zu lesenden Buch vor allem
darum, Verbindungen zwischen einer bestimmten neurotischen
Interpretation des Christlichen (z. B. in Bezug auf Gehorsam,
Sünde, Allmacht; vgl. bes. 2,121ff.) und sexueller sowie
psychischer Gewalt sichtbar zumachen. Erst auf diese Weise, so
seine These, können krankmachende Fehleinstellungen überwunden
werden.
Ulrich Engel OP, Berlin – Münster