Rezension zu Liebesaffären
Wiener Medizinische Wochenschrift 8/2006 Heft15/16
Rezension von Gerhard S. Barolin
Der Autor ist Psychologieprofessor, Paartherapeut und mehrfacher
Buchautor. Er legt ein buntes Bilderbuch aus der therapeutischen
Praxis, Werke der Weltliteratur und der Liebesaffairen berühmter
vor. Er beginnt mit dem klassischen Hohe-Lied der Liebe von
Salomon, Orpheus und Eurydike, Romeo und Julia – jeweils mit
Textausschnitten und Gedanken darüber. Aus Goethes
Wahlverwandtschaften stammt, dass »Heiraten etwas tölpelhaftes an
sich hat und die zartesten Verhältnisse verdirbt«. Gauguin ist als
mittelalterlicher Mann und Bankier aus seiner Ehe ausgebrochen und
hat auf Tahiti erst seine große künstlerische Schaffensperiode
gehabt. Einstein war zum »getreuen Ehemann« untauglich und verbarg
dies auch nicht in mehreren kürzer oder länger dauernden Liaisonen
mit Frauen, die sich gerne in der Öffentlichkeit mit einem Genie an
ihrer Seite zeigten. Seine Frau blieb ihm treu und unterstützte ihn
vorbehaltlos in seiner Arbeit. Es wird vom Autor als der Versuch
gedeutet, »eines Unverbundenen dennoch ein wenig Bindung zu
bekommen, sie aber niemals so eng werden zu lassen, dass sie die
persönliche Freiheit einschränken konnte«.
Ovid’s Ars amatoria gibt recht handfeste Anweisungen zum Anstreben
eines gemeinsamen sexuellen Höhepunkts. Casanova musste sich einige
Stunden in einem Kammerl verborgen halten, entjungferte dann aber
(nach seinen Angaben zum allseitigen Vergnügen) eine junge
Theologiestudentin und daneben deren Cousine. Dieses »Fest«
wiederholten sie einige Tage. Später musste er in Geschäften
abreisen. Der Hitler-Parteigänger und Philosoph Heidegger führte
jahrelang ein klandestines Liebesleben mit seiner jüdischen
Studentin Hannah Arendt in einer streng abgeschirmten Dachkammer,
bis sie nach USA emigrierte und durch ihre Schriften berühmt wurde.
Wohingegen die Beziehung zwischen Richard und Cosima Wagner noch
während deren Ehe mit Hans von Bühloff ohne wesentliche
Heimlichkeiten vor sich ging.
Der pferdegesichtige Marquetz führte Buch über seine Liebschaften.
Mit 50 bei der Zahl von 540 Frauen stellte er das »Registrieren«
ein, als der Körper nicht mehr so viel hergab und er nichts
Schriftliches brauchte, um den Überblick zu behalten. Mit 90
wünschte er sich von einer befreundeten Bordell-Mutter ein junges,
unschuldiges Mädchen. Sie erfüllte ihm den (schwierigen) Wunsch. Er
las der Kindfrau dann den kleinen Prinzen und andere schöne
Literatur vor, adoptierte sie und vererbte ihr schließlich alles.
Anscheinend hilft es nichts, egal wie alt man ist, wieviele
Erfahrungen man hat, wieviele Eroberungen man hinter sich hat und
wieviel Lyrik man gelesen hat: Die Liebe macht einen zum
Trottel.
Mit diesem Satz schließt das Buch, und der geschätzte
Rezensionsleser mag nun selbst entscheiden, ob er es sich kaufen
will oder nicht.