Rezension zu Psychodynamische Beratung in pädagogischen Handlungsfeldern

Beratung Aktuell Zeitschrift für Theorie und Praxis in der Beratung Jahrgang 15, Heft 1/2014

Rezension von Dr. Rudolf Sanders

Psychodynamische Beratung in pädagogischen Handlungsfeldern

Alle empirischen Untersuchungen über den Erfolg einer Beratung nennen als ausschlaggebende Faktoren zum einen die Motivation des Klienten, zum anderen aber die therapeutische Beziehung im Erstkontakt. So weist etwa Klaus Grawe (2004: Neuropsychotherapie) darauf hin, dass, wenn Klienten im ersten Kontakt nicht ihren Selbstwert erhöhende Erfahrungen machen, man sich alle weiteren Sitzungen schenken könne. So ist es naheliegend, dass die Psychoanalyse als die das Beziehungsgeschehen erfassende Wissenschaft in der institutionellen Beratung bis heute tonangebend ist. Eine psychodynamische Perspektive macht in pädagogischen Handlungsfeldern Sinn, weil ein funktionalistischer Zugriff auf die Klientel zu kurz greift und eben keine erfolgreiche pädagogische und beratende Arbeit begründen kann. Ein verstehender Zugang erweist sich in der Praxis als notwendig, und hier liegt eine Stärke des psychodynamischen Zugangs.

Das vorliegende Buch zeigt auf, wie dieser Ansatz in unterschiedlichen pädagogischen Handlungsfeldern zum Tragen kommt. Um Freude an der Lektüre zu bekommen, ist es nicht notwendig, Fachmann in psychoanalytischer Terminologie zu sein. Wenn es etwa im Kapitel um die Wirkfaktoren in der Psychosozialen Beratung geht, liegt es auf der Hand, dass die Wirkung des Beratungsprozesses ebenso wie die der Psychotherapie entscheidend abhängig ist von den Interaktionen und Beziehungsdynamiken, die sich zwischen Berater und Klient entfalten. So wird die Nutzung der Gegenübertragung als Erkenntnisinstrument unverzichtbar im Hinblick auf die reflektierte Steuerung des Beratungsprozesses durch den Berater oder die Beraterin. So muss man als Berater den Prozess dahingehend strukturieren, dass die Motivation sowie die Fähigkeit der Klienten zu Selbstreflektion weitgehend gefördert und unterstützt werden. Anders als in einem therapeutischen Prozess geht es in pädagogischen Handlungsfeldern durchaus darum, eine aktive Rolle einzunehmen. Insbesondere durch die Herstellung eines Arbeitsbündnisses, welches keineswegs vorausgesetzt werden kann und dessen Herstellung in nicht wenigen Fällen als der vielleicht größte Erfolg zu betrachten ist. Dann wird das Erkennen und Benennen unbewusster oder auch bewusster, aber tabuisierter Motive, Affekte, Wünsche und Konflikte und die Fokussierung auf das Gegenwartsunbewusste möglich.

Zu den Wirkfaktoren gehört aber auch, dass Klienten auf den Berater eine Wirkung haben. So konnte durch empirische Studien über die mimische Mikroaffektivität zwischen Menschen die These bewiesen werden, dass es Menschen mit psychischen Problemen immer wieder und unbemerkt gelingt, weniger belastete Mitmenschen von durchschnittlicher Empathie und Stabilität in das eigene innere Problemfeld hineinzuziehen. Das Wissen darum macht auf die Falle aufmerksam, in die Berater tappen können.

Um Lust auf die Lektüre zu machen, sei noch auf ein weiteres Kapitel hingewiesen, in dem der Unterschied zwischen der Telefonseelsorge einerseits und der medialen inszenierten Telefonberatung, etwa durch »Domian« nachts zwischen 1-2 Uhr, herausgearbeitet und so bezogen auf die Wirkung in diesen Handlungsfelder auf die Klienten miteinander verglichen wird.

Dr. Rudolf Sanders

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