Rezension zu Psychoanalytisch-pädagogisches Können (PDF-E-Book)
EuWiS. Zeitung ›Erziehung und Wissenschaft im Saarland‹ des Landesverbandes der GEW im DGB 03/2014
Rezension von Klaus Ludwig Helf
Psychoanalytischpädagogisches Können
Vermitteln – Aneignen – Anwenden
Als der erste Band des Jahrbuchs für Psychoanalytische Pädagogik im
Jahre 1989 erschien, war es das Ziel der Redaktion, eine zentrale
Plattform und ein Forum für den Dialog zwischen
Erziehungswissenschaften, pädagogischer Praxis und Psychoanalyse
anzubieten.
Neben der Diskussion der aktuellen wissenschaftstheoretischen
Entwürfe setzte sich der erste Band auch mit sozial- und
heilpädagogischen Fragestellungen auseinander. Die Anfänge des
Jahrbuchs sind eng verbunden mit dem Aufschwung der Psychoanalyse
und der Psychoanalytischen Pädagogik im Besonderen in den 70er
Jahren an der Frankfurter Universität. Insbesondere Aloys Leber hat
mit seiner Lehre und mit seinen Publikationen prägend die
Psychoanalytische Pädagogik in Frankfurt als Pionier wiederbelebt,
dies wird auch sehr deutlich in der Laudatio von Urte
Finger-Trescher zu dessen 90. Geburtstag (abgedruckt im
vorliegenden Band): »Neben den klassischen Lehrmethoden mit
Vorlesungen und Seminaren entwickelte er das hochschuldidaktische
Projekt ›Psychoanalytische Reflexion heilpädagogischer Praxis‹
[...] Die Verwendung von psychoanalytisch-heilpädagogischer
Kompetenz im Dienst der Jugendhilfe war aus meiner Sicht das
Außergewöhnliche, das Leber seinen Studierenden vermitteln konnte«
(S. 158). »Professionelle Pädagogen lieben die Kinder und
Jugendlichen, mit denen sie arbeiten, nicht. Und wenn sie es täten,
müsste die pädagogische Arbeit zwingend beendet werden« (S. 162).
Hier gelte die Einhaltung der Abstinenzregel, die unter der
Prämisse stehe, auf eigene Bedürfnisbefriedigung in der Arbeit mit
Klienten nicht angewiesen zu sein, »sich zwar verwenden zu lassen,
aber den anderen nicht zu verwenden« (ebenda).
Der vorliegende Band 20 ist herausgegeben von drei
Wissenschaftlern: Urte Finger-Trescher ist Privatdozentin,
Diplom-Pädagogin, Gruppenanalytikerin, Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeutin und Leiterin der Beratungsstelle für
Eltern, Kinder und Jugendliche der Stadt Offenbach; sie lehrt an
den Universitäten Kassel und Wien. Wilfried Datler ist
professoraler Leiter des Arbeitsbereichs Psychoanalytische
Pädagogik am Institut für Bildungswissenschaften der Universität
Wien sowie Lehranalytiker im Österreichischen Verein für
Individualpsychologie. Johannes Gstach ist Assistenzprofessor im
Arbeitsbereich Psychoanalytische Pädagogik am Institut für
Bildungswissenschaften der Universität Wien.
Der Themenschwerpunkt des Bandes ist psychoanalytisch-pädagogisches
Können: Vermitteln – Aneignen– Anwenden. Sechs Beiträge befassen
sich mit dem Themenschwerpunkt; es folgen zwei freie Beiträge u.a.
die bereits erwähnte Laudatio, dann folgen eine Literaturumschau
und Rezensionen zu Publikationen aus dem Bereich der
Psychoanalytischen Pädagogik; Abstracts der Aufsätze und Angaben
über die Autorinnen und Autoren und Mitglieder der Redaktion
schließen den Band ab. Das Jahrbuch stellt vielfältige praktische
Konzepte und Ideen zum Lehren und Lernen
psychoanalytisch-pädagogischen Könnens vor. Dabei wird der
formulierte Anspruch, in der Lehre kognitive und affektive Prozesse
zu berücksichtigen, in den meisten Beiträgen sehr anschaulich und
plastisch eingelöst.
Folgende Fragen und Probleme stehen im Zentrum des Bandes: Was ist
das Spezifische des psychoanalytisch-pädagogischen Konzepts? Welche
Methoden haben sich in der Vermittlung entsprechender Kompetenzen
bewährt? Unter welchen Bedingungen kann psychoanalytisch
pädagogisches Lehren und Lernen gelingen? Auf diese Fragen geben
die Autorinnen und Autoren aus ihrer langjährigen
wissenschaftlichen und praktischen Erfahrung auf dem Feld der
Psychoanalytischen Pädagogik fundierte Antworten in einer
Verbindung von grundsätzlichen Überlegungen und exemplarischen
Fallberichten. Außerdem werden das 20-jährige Bestehen des
Jahrbuchs und seine Bedeutung für die Institutionalisierung der
Psychoanalytischen Pädagogik gewürdigt.
Der vorliegende Band 20 des Jahrbuchs für Psychoanalytische
Pädagogik präsentiert das aktuelle kontroverse, lebendige und
plurale Meinungsspektrum innerhalb der Psychoanalytischen Pädagogik
sowohl in ihrer Forschung und Lehre als auch in ihrer Aneignung und
praktischen Anwendung. Er ist daher außerordentlich fruchtbar und
anregend für Lehrende (Hochschule und Weiterbildung), Lernende
(Studierende, Auszubildende) und für pädagogische und
psychologische Fachkräfte aus der Praxis.
Klaus Ludwig Helf