Rezension zu Sozialpsychologie des Kapitalismus - heute
PW-Portal – Portal für Politikwissenschaft
Rezension von Björn Wagner
Klaus-Jürgen Bruder / Christoph Bialluch / Benjamin Lemke
(Hrsg.)
Sozialpsychologie des Kapitalismus – heute. Zur Aktualität Peter
Brückners
Der Wissenschaftler und Hochschullehrer Peter Brückner (1922–1982)
mischte sich engagiert in politische und gesellschaftliche Fragen
ein und wurde deshalb wiederholt zum Opfer medialer und politischer
Hetzkampagnen sowie zweier Suspendierungen (deren Rechtmäßigkeit in
beiden Fällen anschließend gerichtlich verneint wurde). Im
Gegensatz zu vielen anderen linken Intellektuellen blieb er trotz
des politischen Drucks seinem grundsätzlich herrschaftskritischen
Ansatz treu, denn »Herrschaftskritik war für Brückner kein
intellektuelles Spiel, sondern die einzige Möglichkeit, als
Intellektueller zu leben und zu überleben« (320), wie Klaus Weber
in seinem Beitrag formuliert. Für Brückner als Psychologen stellte
die bürgerliche Familie als zentrale Sozialisationsinstanz den
entscheidenden Mechanismus zur Aufrechterhaltung ungleicher
Eigentums‑ und Herrschaftsverhältnisse dar. Mögen sich auch die
Erziehungsmethoden gewandelt haben, so sind Kinder nichtsdestotrotz
auch heute noch »Objekte familialer Herstellung von Normalität und
Konformität« (321); Bildung und Erziehung sind gar in vielerlei
Hinsicht noch stärker als damals an Funktionalitätsanforderungen im
neoliberalen Kapitalismus geknüpft. »Besitz‑ und
Eigentumsverhältnisse [...] strukturieren unsere Menschwerdung«
(322), daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Diese trotz
veränderter Vorzeichen anhaltende Aktualität vieler Arbeiten Peter
Brückners dient auch den anderen Autor_innen als Leitlinie für ihre
Fragestellungen. Im Zentrum stehen dabei vor allem drei
übergreifende Themenblöcke: die politischen und ökonomischen
Transformationsprozesse hin zu Postdemokratie und Neoliberalismus,
Exklusion und Benachteiligung unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen
aufgrund sozialer oder ethnischer Kriterien sowie Fragen von
Selbstsozialisation und ‑unterdrückung. Ein vierter Themenblock
vereint zudem Beiträge, die sich mit alternativen
Gesellschaftsvorstellungen und Gegenentwürfen zum neoliberalen
Kapitalismus auseinandersetzen. Das Buch erinnert nicht nur daran,
dass auch demokratische Gesellschaften in vielerlei Hinsicht
repressiven Herrschaftsmechanismen unterworfen sind. Darüber hinaus
stellt es ein starkes Plädoyer für die Selbsthinterfragung der
Sozialwissenschaften dar. Unter dem Druck finanzieller Einschnitte
und einer sich wandelnden Bildungspolitik scheint eine ihrer
wesentlichen Aufgaben – das Hinterfragen und Kritisieren von
Herrschaftsstrukturen – immer mehr in den Hintergrund gedrängt zu
werden.
Björn Wagner (BW)
Dipl.-Politologe, Doktorand und Lehrbeauftragter, Universität
Jena.
Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Klaus-Jürgen
Bruder / Christoph Bialluch / Benjamin Lemke (Hrsg.):
Sozialpsychologie des Kapitalismus – heute. Gießen: 2013, in:
Portal für Politikwissenschaft,
http://pw-portal.de/rezension/36552-sozialpsychologie-des-kapitalismus--heute_44091,
veröffentlicht am 02.01.2014.
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