Rezension zu Gemeinschaftsgefühl
Zeitschrift für Individualpsychologie 38. Jahrgang, 2/2013
Rezension von Robert F. Antoch
Lesen Sie hier Ausschnitte aus der Besprechung:
»Dass ein dickes Buch ein großes Übel sei, ist eine Erkenntnis von
Lessing, die Gerald Mackenthun in dem Vorwort zu seiner hier
vorliegenden Arbeit (Umfang: 525 Seiten) zwar wiedergibt, aber
gleichwohl nicht beherzigt. Allerdings: Wie sollte er auch? –
Könnte denn jemand über das ›Gemeinschaftsgefühl‹ ein dünnes Buch
schreiben? – Mir scheint das eher unwahrscheinlich.«
»Ja, wenn man nur wüsste, was das ›Gemeinschaftsgefühl‹ ist! Ich
benutze diesen Begriff im Folgenden immer nur in
Anführungsstrichen, denn nach knapp 40 Jahren theoretischer und
praktischer Beschäftigung mit dem Thema bin ich zu der Erkenntnis
gelangt, dass Adler das ›Gemeinschaftsgefühl‹ zwar als sehr
bedeutsam für seine Botschaft angesehen, aber nie eindeutig
dargelegt hat, was er darunter verstehen will«
»Nach der Lektüre dieser von Mackenthun vorgestellten
eindrucksvollen Sammlung von Autoren, Auseinandersetzungen und
Ergebnissen, die Adlers »Gemeinschaftsgefühl« abstrakt umkreisen,
hat es mich gereizt, zur Praxis des individualpsychologischen
Therapierens einmal ganz konkret zu werden. Dabei möchte ich von
der anschaulichsten Bestimmung ausgehen, die Adler seiner Idee des
»Gemeinschaftsgefühls« gegeben hat, nämlich von der Aussage: »mit
den Augen eines anderen zu sehen, mit den Ohren eines anderen zu
hören, mit dem Herzen eines anderen zu fühlen« (Adler 1928). Ja,
wer möchte das nicht können und den Menschen, die er liebt und
denen er beistehen will, zur Verfügung stellen?«
»Am Ende des dicken Buches über das ›Gemeinschaftsgefühl‹ ließe
sich in Abwandlung und Erweiterung eines Bonhoeffer-Wortes über
einen anderen Un-Begriff der Menschheit sagen: Ein
›Gemeinschaftsgefühl‹, das es gibt, gibt es nicht – es kann sich
nur ereignen. Freilich sehe ich dafür eine Voraussetzung: dass sich
nämlich die Gemeinschaft der Individualpsychologen erst einmal
darauf einigte, aus den verschiedenen Angeboten des
Begriffs-Chamäleons eines auszuwählen, das mit Zustimmung möglichst
vieler seiner Mitglieder diese Benennung tragen soll.«
»Die Lektüre des rezensierten Buches zeigt schonungslos auf, dass
sich der mainstream der Adlerianer bezüglich des
›Gemeinschaftsgefühls‹ weder auf die Widersprüche bei Adler noch
auf die zur Kritik vorgebrachten Argumente seiner MitstreiterInnen
und NachfolgerInnen eingelassen hat, und auch Mackenthun macht in
dieser Hinsicht keine Ausnahme.«
»Adlers bis in ihre Widersprüchlichkeiten hinein anregende Suche
nach den Geheimnissen des Lebens und Heilens und sein bis zuletzt
unruhiger Geist haben es verdient, dass seine Nachfolger sich
diesbezüglich nicht zu früh zufrieden geben. So kann Gerald
Makenthuns Buch – kritisch und verständig gelesen – als ein
wertvoller Beitrag dazu angesehen werden, es sich einerseits mit
der Widersprüchlichkeit und Vielfalt der Bedeutungen des
›Gemeinschaftsgefühls‹ nicht zu leicht zu machen, es andererseits
aber auch nicht einem zu streng eingeschränkten Gebrauch
vorzubehalten.«
»Nun ist aus meiner Besprechung dieses dicken Buches eine ellenlage
Rezension geworden. Ich danke Gerald Mackenthun für die vielen
wertvollen Anregungen, die ich in seiner Arbeit gefunden habe und
wünsche jedem Leser ein Gleiches.«
Die vollständige Rezension finden Sie hier:
www.v-r.de