Rezension zu »Wir haben Geschichte geschrieben«
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Rezension von Karin Flothmann
Frauen können auch Gewerkschaft
Kennen Sie Liesel Kipp-Kaul? Oder Thea Hartmuth? Sagt Ihnen der
Name Maria Weber etwas? Oder Irmgard Blättel? Sie alle zählen zu
den Müttern der deutschen Gewerkschaftsbewegung – und zu den
Müttern der Frauenarbeit im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB).
Vielen sind ihre Namen dennoch unbekannt. Die Geschichte der Frauen
in den Gewerkschaften ist bis heute weitgehend unsichtbar. Und das
Wissen über ihre Arbeit ist alles andere als leicht zugänglich. Es
findet sich etwa versteckt in den Protokollen des
DGB-Bundesfrauenausschusses. Und es schlummert in den Erfahrungen
und Erinnerungen der noch heute lebenden DGB-Frauen.
Aus dem Widerstand heraus
Damit dieser Erfahrungsschatz nicht verloren geht, hat ihn die
Journalistin und Filmemacherin Sybille Plogstedt geborgen.
Unterstützt von der Hans-Böckler-Stiftung hat sie sich in alte
Protokolle vertieft und Interviews mit Zeitzeuginnen geführt.
Herausgekommen ist jetzt ein kompaktes Geschichtsbuch. Auf mehr als
500 Seiten erzählt Sybille Plogstedt anschaulich und sehr
kurzweilig von den Frauen und ihrer Arbeit, und davon, wie sie
Politik in Deutschland mitgestaltet haben. Viele der ersten
Gewerkschafterinnen kamen direkt aus dem Widerstand gegen den
Nationalsozialismus und haben nach dem Krieg sofort damit begonnen,
die Gewerkschaften samt der Frauenarbeit aufzubauen.
Sie waren es, die Frauen aus den Gewerkschaften, die das Thema der
vom Ehemann unabhängigen Berufsausübung so lange verfolgten, bis
der Gesetzgeber endlich die entsprechenden gesetzlichen
Voraussetzungen schuf. Allein dieses Ringen währte 28 Jahre, von
1949 bis 1977. Zuvor durften Frauen nur arbeiten, wenn es der
Ehemann erlaubte. Egal, ob es um gleiche Bildungschancen für
Mädchen und Jungen ging oder um die Abschaffung von
Leichtlohngruppen, DGB-Frauen mischten sich ein. Vom ersten Tag an
kämpften DGB Frauen für den gleichen Lohn für Frauen, und dieser
Kampf dauert bis heute an. Zwischendurch gab es sogar Phasen, da
drohten Männer aus der Gewerkschaft auszutreten, wenn man Frauen
denselben Lohn zahlen würde.
Ein Vorstandsmandat für Frauen
Gleichzeitig war gewerkschaftliche Frauenarbeit im DGB bis 1989
eine Domäne von Frauen der Union. Denn der DGB wurde als
Einheitsgewerkschaft gegründet. Daher fielen von Anfang an zwei
Vorstandsmandate an die Gewerkschafter von CDU und CSU. Eines davon
war das für Frauen. Die SPD-Frauen liefen zu Beginn Sturm gegen
diese Regelung. Doch sie konnten erst nach der Einheit Ursula
Engelen-Kefer an die Spitze des DGB bringen. Auch für die
Mitglieder hat die Arbeit der DGB-Frauen viel gebracht. Denn wo
anders als in den Gewerkschaften bekommen Frauen, die in einem
Arbeiterhaushalt aufgewachsen sind oder aus dem Angestelltenmilieu
kommen, die Chance, gesellschaftlich aufzusteigen und zwar bis in
die Aufsichtsräte eines Konzerns?
Karin Flothmann
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