Rezension zu Psychoanalytisch-pädagogisches Können (PDF-E-Book)
HEP Informationen Berufsheilerziehungspflege in Deutschland e.V. 4/2013
Rezension von Ulf-Henning Janssen
Psychoanalytisch-pädagogisches Können
Psychoanalytisches Verstehen pädagogisch nutzbar zu machen: Das
ist, auf eine einfache Formel gebracht, Sinn und Zweck der
psychoanalytischen Pädagogik. Nicht um andere, um »bessere« Kinder
geht es hierbei und selbstverständlich noch viel weniger darum,
nun einer Arbeit nach dem Motto: »Alles zu verstehen, heißt alles
wunderbar zu finden und damit zu bejahen« das Wort zu reden. Die
psychoanalytische Pädagogik hilft jedoch dabei, gerade kindliches
– auch herausforderndes, störendes oder gar gefährliches –
Verhalten richtig einzuordnen und durch die daraufhin erfolgende
sachgerechte Intervention des Erziehers negative Folgen für das
Selbstwertgefühl des Kindes mit allen ihren unheilvollen
Auswirkungen auf das spätere Leben zu verhindern.
Die zahlreichen Beispiele in den Beiträgen dieses Bandes bilden
eindrucksvolle Beispiele für diese Aussage. Abseits der
klassischerweise behavioristisch geprägten Pädagogik will diese
Richtung also ein Mehr an Verständnis für das Verhalten der
Menschen entwickeln und damit letztlich zu einer
Verhaltensmodifikation des Erziehers führen. Nur wenn ich mein
Gegenüber verstehe, kann ich letztlich einfühlsam und
bedürfnisorientiert arbeiten, so die Grundidee dieser Schule.
Außerhalb jedes therapeutischen Settings die pädagogische Arbeit
ebenso nachhaltig zu verändern wie die pädagogischen Arbeiter
selbst, ist Weg und zugleich Ziel der psychoanalytischen
Pädagogik.
Sie setzt damit auch einen klaren Kontrapunkt zur »schwarzen
Pädagogik«. Schon früh haben Schüler Sigmund Freuds angefangen,
seine Überlegungen für die praktische pädagogische Arbeit nutzbar
zu machen. Sichtbarsten Ausdruck findet dieser Ansatz in der Arbeit
Siegfried Bernfelds, der bekanntlich auf dieser Grundlage fußend,
das Kinderheim Baumgarten bei Wien eröffnete. Wie aber kann nun
psychoanalytische Pädagogik vermittelt werden? Wie kann man sie
sich aneignen? Und am wichtigsten: Wie wendet man sie an? Alle
diese Fragen werden im vorliegenden 20. Jahrbuch für
psychoanalytische Pädagogik aufgegriffen und umfassend
beantwortet. Ein gutes und wichtiges Thema für den Jubiläumsband.
Hinsichtlich der Vermittlung zeigen die Autoren auf, dass es gar
nicht wenige Lehrveranstaltungen an Fach- oder Hochschulen sind, in
denen regelmäßig auch psychoanalytisch orientierte Themen
behandelt werden.
Ein Modul »Professionelles Handeln: Reflexion und Selbstreflexion
in der sozialen Arbeit« stellt nachgerade ein Musterbeispiel für
diese These dar. Bei der Aneignung scheint die Sache schwieriger.
Eine jahrelange Lehranalyse, wie in der Psychoanalyse allgemein
üblich, ist nicht in jedem Fall durchführbar oder sinnvoll. Dass
es auch anders geht, davon berichten weitere Autoren. Neben
zahlreichen Maßnahmen postgradualer Weiterbildung stellen
Supervision, vor allem aber gruppenanalytische Selbsterfahrung
geeignete Instrumente für die Aneignung dar. Gerade bei dem
letztgenannten Verfahren besteht, darauf weisen die Autoren zu
Recht hin, die echte Chance, sich selbst mit seinen eigenen
Hemmungen und Konfliktneigungen umfassend in der Gruppe (und damit
dem klassischen pädagogischen Setting) zu erfahren und die
Problemlagen zusammen mit den anderen nicht nur neu zu inszenieren,
sondern auch zu bearbeiten.
Wer einen Überblick über den aktuellen Diskussionsstand zur
psychoanalytischen Pädagogik sucht, sein eigenes Erzieherverhalten
auf den Prüfstand stellen möchte oder einfach mehr über eine
faszinierende Ergänzung der klassischen Pädagogik lernen möchte,
hat mit diesem Band in jedem Fall einen guten Griff getan.
Datler, Wilfried; Finger-Trescher, Urte; Gstach, Johannes (Hrsg.),
Psychoanalytisch- pädagogisches Können. Vermitteln – Aneignen –
Anwenden
www.berufsverband-hep.de