Rezension zu »Da fühlte ich mich wie in einem schlechten Film …«. Wenn Lügen in der Langzeit-Ehe auffliegen (PDF-E-Book)
WLP News. Zeitschrift des Wiener Landesverbandes für Psychotherapie 3/2013, S. 11–12
Rezension von Hermann Spielhofer
Psychotherapie im Alter
Forum für Psychotherapie, Psychiatrie, Psychosomatik und
Beratung
Psychosozial-Verlag, Gießen
Die Zeitschrift »Psychotherapie im Alter« erscheint seit 2004
vierteljährlich mit jeweils einem Schwerpunktthema. So hatten die
vier Ausgaben des letzten Jahres die Themen »Einsamkeit«, »Tabus in
der therapeutischen Beziehung«, »Sucht« und »Männer«. Die letzte
Nummer (1/2013) ist den Frauen gewidmet und es geht dabei vor allem
um das Geschlechterverhältnis der älteren Generation sowie um
frauenspezifische Probleme im Alter.
Angelika Trilling beschreibt in ihrem Beitrag »Wie groß ist der
›kleine‹ Unterschied?« die Lebenssituation und Lebenserwartungen
von Frauen im Unterschied zu männlichen Altersgenossen. Ein
wesentlicher Unterschied besteht insbesondere in den
Einkommensverhältnissen, wobei sich die Unterschiede im Alter oft
noch verstärken und vielfach zu der oft diskutierten »Altersarmut«
führen, von der vor allem Frauen betroffen sind. So liegt das
durchschnittliche Einkommen älterer Frauen in Deutschland
durchschnittlich um 39,1 Prozent niedriger als bei Männern.
Gabriela Stoppe widmet sich in ihrem Beitrag »Probleme mit den
Wechseljahren« empirischen Studien zu den hormonellen Veränderungen
von Frauen im Alter, die die bisherigen Annahmen relativieren, dass
durch diese Veränderungen eine Reihe von körperlichen und
psychischen Beschwerden ausgelöst werden und mittels
Hormonersatztherapie kompensiert werden müssen. Sie hofft, dass in
Hinkunft Fachkräfte im sozialmedizinischen und psychosozialen
Bereich an einer De-Medikalisierung in der Menopause hinwirken.
Almut Sellschopp beschäftigt sich in ihrem Artikel »Die Gedanken
sind frei, kein Mensch kann sie wissen« damit, welchen Beitrag der
Feminismus zum Alter leistet. Sie bezieht sich dabei auf Aussagen
von prominenten Frauen wie Simone de Beauvoir oder Margarete
Mitscherlich (Alice Schwarzer hat es allerdings abgelehnt, ein
Gespräch über ihr Alter zu führen, was, wie I. Stoehr vermutet,
daran liegt, »dass die sozial bewegten Alten sich als ewig Junge zu
fühlen geneigt sind und sich deshalb besonders schwer tun, andere
Denkformen … zu erkennen«). Simone de Beauvoir betont in ihrem Buch
»Alter« vor allem die Begrenztheit der Möglichkeiten, den Schritt
in die Endlichkeit: »Man hat keine Zukunft mehr, das ist das
Schlimmste«. Mitscherlich hat in ihrem Buch »Die Radikalität des
Alters« dagegen die Erfahrung und die höhere Selbstreflexion im
Alter hervorgehoben. Für sich selbst hofft sie, wie sie in einem
Gespräch betont, dass trotz körperlicher Einschränkungen die
Neugier und die Lust am Denken bis zum Schluss anhält.
Auch Elisabeth Helmich wirft in ihrem Beitrag »Die alte Frau, das
unsichtbare Wesen« die Frage auf, wieweit sich der Feminismus mit
dem Alter auseinandersetzt. Sie hat dazu Interviews mit Frauen im
Alter zwischen 56 und 73 Jahren durchgeführt und dabei
festgestellt, dass ältere Frauen auch in der feministischen
Diskussion diskriminiert sind und sie auch »im Kontext
feministischen Denkens kaum weniger von Ausgrenzung betroffen sind
als im gesamtgesellschaftlichen Umfeld«. Selbst in feministischen
Zeitschriften, wie »Emma« oder »Anschläge« blieb das Thema Frauen
im Alter ein Randthema und bediente z.T. die selben Klischees wie
die übrigen Massenmedien.
Irmgard Vogt berichtet in ihrem Beitrag »Süchtige alte Frauen« über
spezifische Probleme und Abhängigkeitsmuster im Alter und Susanne
Bosse schreibt ein »Plädoyer für eine deutliche Differenzierung von
Therapiezielen auch jenseits des ›kleinen Unterschieds‹«, um nur
einen Teil der Beiträge zu referieren. Insgesamt deckt dieses Heft
der Zeitschrift ein breites Spektrum an Themen im Bereich der
Psychotherapie mit älteren Frauen ab und bietet daher eine Fülle
von Informationen.
Im Jahr 2008 ist ein Buch mit dem gleichen Titel erschienen, in dem
die Beiträge der ersten beiden Jahrgänge dieser Zeitschrift
veröffentlicht sind: J. Kipp (Hg.) »Psychotherapie im Alter«,
Psychosozial-Verlag. Der erste Abschnitt des Buches ist der
psychotherapeutischen Diagnostik bei älteren Menschen gewidmet, ein
Thema, zu dem es bisher ebenfalls wenig Literatur gibt.
Eike Hinze schreibt über »Das Erstgespräch mit älteren Patienten in
der psychoanalytischen Praxis« und betont darin, dass auch hier
neben den anamnetischen Daten das Übertragungsgeschehen mit den
darin ablaufenden Inszenierungen und Rollenzuschreibungen an die
Analytikerin/den Analytiker wesentliche Informationen liefern.
Anhand von Fallvignetten gibt der Autor praktische Beispiele
diagnostischer und therapeutischer Aspekte.
Johannes Kemper weist in seinem Beitrag »Die
verhaltenstherapeutische Erstuntersuchung älterer Patienten in der
psychotherapeutischen Praxis« darauf hin, dass handlungsorientierte
Therapieansätze mit ihrer zeitlichen Begrenzung den Bedürfnissen
älterer PatientInnen entgegenkommen. Er betont auch die
Notwendigkeit der Einbeziehung des sozialen Umfeldes.
Esther Bruck und Johannes Kippe referieren über Aufnahmegespräche
in einer Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Sie betonen,
dass es bei diesen Aufnahmegesprächen mit älteren Personen wichtig
ist, ihnen genügend Zeit einzuräumen, da die Erinnerungsfähigkeit
meist eingeschränkt ist und die neue Situation oft zu Verwirrung
führt. A. Peters, S. Hübner und C. Manaf schreiben über
Erstgespräche in der Gerontopsychosomatik.
In einem zweiten Abschnitt werden Angst und posttraumatische
Störungen bei älteren Menschen behandelt. Hartmut Radebold
berichtet von einer psychoanalytischen Fokaltherapie bei einer
80-jährigen mit Angstzuständen und Panikattacken; Jutta Stahl und
Ursula Schreiter Gasser schreiben über »Verhaltenstherapeutische
Angstbehandlung in einer Tagesklinik«, Andreas Maercker und Julia
Müller über ,»Erzähltechniken bei der Therapie Posttraumatischer
Belastungsstörungen bei älteren Menschen« und Luise Reddemann über
»Spätfolgen von Traumatisierungen«.
Ein dritter Abschnitt des Buches behandelt Gruppenmethoden sowohl
in teilstationären Bereichen wie auch bei professionell
unterstützten Selbsthilfegruppen sowie in Form von Musikgruppen
oder auch unter Einbeziehung künstlerischer Betätigungen. Ein
letzter Abschnitt betrifft die »Veränderung von Beziehungen und
psychischen Störungen im Alter«. Hier geht es um sexuelles Begehren
im Alter und um Wünsche nach körperlichem Kontakt, oder um
»Eheliches Burnout« d.h. dem Versiegen der Lust. In einem weiteren
Beitrag geht es um Zwangsstörungen sowie um die Polarität von
Ordnungs- und Sammelzwang.
Auch dieses Buch mit Beiträgen der ersten Jahrgänge bietet eine
Fülle von Informationen sowohl auf der Ebene klinischer Theorien
als auch anhand praktischer Anleitungen und FalIvignetten.
Hermann Spielhofer