Rezension zu Zur Negation der psychoanalytischen Hermeneutik
Psyche, 67. Jahrgang, Heft 11, November 2013, S. 1155–1158
Rezension von Moritz Senarclens de Grancy
Auszüge aus der Rezension:
»Will Psychoanalyse erklären oder verstehen? Diese klassische
Positionsfrage der Wissenschaften nimmt der Sammelband zum
Ausgangspunkt einer Bestandsaufnahme psychoanalytischer
Auffassungen zur Hermeneutik. Während die analytische Arbeit von
dem Wunsch getragen wird, gerade Negatives und Widersinnliches
verständlich zu machen, gibt es auch Grund zur Ablehnung des
Vorhabens einer psychoanalytischen Hermeneutik.«
»Dass Veränderung in der Psychoanalyse auch ohne Verstehen möglich
ist, zeigt Bruce Fink. Ähnlich wie für Nissen besteht für ihn das
Entscheidende darin, gemeinsam etwas ins Sprechen zu bringen: In
der analytischen Kur gehe es darum, Dinge zu sagen, die Einfluss
auf die psychische Ökonomie haben. Dabei komme dem Analytiker die
Aufgabe zu, Bedeutung zu entfernen und Verstehen zu unterlaufen, da
dieses stets nur partiell vorhanden sei und die Illusion der
Ich-Beherrschung durch Wissen aufrechterhalte. Die
›Verstehensfalle‹ lasse vergessen, dass Verstehen aus analytischer
Sicht immer nur vorläufig sein kann und permanenter Revision
unterliege. Wolfram Bergande plädiert im Rückgriff auf Freud und
Lacan daher dafür, Psychoanalyse nicht als Hermeneutik zu
verstehen, da ihr Grundbegriff nicht Auslegung, sondern Auflösung
sei.«
»Dass Psychoanalyse letztlich doch verstehen wolle, macht
schließlich Timo Storck deutlich. Analytischem Verstehen gehe es
jedoch nicht um ein Aufdecken der eigentlichen Zusammensetzung
eines verborgenen Sinns, sondern um ein Nachvollziehen von
Verknüpfungsmodi einzelner Elemente des Psychischen.«
»Gegen den Zeitgeist unbedingten Glücksstrebens bildet dieser
Sammelband zur negativen Hermeneutik einen überzeugenden
Kontrapunkt. Denn er belegt, dass die Vorsilbe ›un‹ nicht nur für
Verdrängung steht, sondern auch für die Möglichkeit intellektueller
Beurteilung. Trotz aller Kontroversen um die Problematik des
Verstehens in der analytischen Arbeit erweist sich daher der
gekonnte
Umgang mit Negativität als das erkenntnisgenerierende Merkmal von
Psychoanalyse schlechthin.«
Die vollständige Besprechung finden Sie im digitalen
Klett-Cotta-Archiv der Psyche:
www.volltext.psyche.de