Rezension zu Sexualität und Partnerschaft bei Menschen mit geistiger Behinderung (PDF-E-Book)
HEP Informationen Berufsheilerziehungspflege in Deutschland e.V. 3/2013
Rezension von Ulf-Henning Janssen
Sexualität und Partnerschaft bei Menschen mit geistiger
Behinderung
Noch ein Buch zum Thema »Sexualität und Partnerschaft bei Menschen
mit geistiger Behinderung«? Eigentlich, so sollte man meinen, ein
ausgereiztes Thema. Seit ungefähr drei Jahrzehnten handelt es sich
nicht mehr um ein Tabuthema, weshalb beides selbst in Einrichtungen
gelebt werden darf. Sexualpädagogik gehört als verbindliches
Thema in den Ausbildungskanon von Erziehern und Heilerziehern. Und
dennoch: Das Buch von Svenja Bender ist ein wichtiges Buch. Sie
untersucht die Thematik unter der Perspektive der
psychoanalytischen Pädagogik. Der besondere Reiz besteht darin,
dass hierbei Fragestellungen aufgeworfen werden, die in der
klassischen Pädagogik nicht auftauchen. Nicht selten wird davon
gesprochen, dass Behinderung plus Sexualität zu einer behinderten
Sexualität führen. Dass dies durchaus so sein kann, weist die
Studie ausdrücklich nach. Hierzu gehört in erster Linie das
Selbstbild des Betroffenen, der durch seine Behinderung eine
beschädigte Identität erwirbt. Diese äußert sich in der eigenen
Wahrnehmung, die durch die frühkindlichen Prägungen negativ
ausgebildet worden sein kann.
Die daraus folgenden Probleme für eine gesunde Ich-Entwicklung
liegen auf der Hand. Dass eine derartige Entwicklung jedoch eine
wesentliche Voraussetzung für die Fähigkeit zu einer gelungenen
Partnerschaft darstellt, ist der Psychoanalyse seit langem bekannt.
Es ist das Verdienst der Autorin, diese Probleme ebenso umfassend
herausgearbeitet zu haben, wie sie an dieser Stelle auch
ausdrücklich auf das Erleben und die Reaktionen der Eltern und
anderer frühkindlicher Bezugspersonen mit ihren möglichen
Auswirkungen auf die frühkindliche Prägung abstellt und, daraus
abgeleitet, konkrete Unterstützungsmöglichkeiten gerade für die
Eltern aufzeigt. Werden diese nämlich umgesetzt, ist die Chance
für eine positive Entwicklung erheblich größer, an deren Ende
eine reife Sexualität und auch eine gelungene Partnerschaft stehen
können. Die Forderung nach frühen Hilfen beratender und
begleitender Natur für Eltern behinderter Kinder ist sicherlich
nicht neu, erhält hier jedoch ein theoretisches Fundament. Aber
auch für erwachsene Menschen mit Behinderungen sind
Unterstützungsmaßnahmen hilfreich, wie sie beispielsweise im
Rahmen spezieller Partnervermittlungsagenturen für Menschen mit
Behinderungen angeboten werden. Wie diese Angebote der Agenturen
ausgestaltet sein sollten und welche konkreten Bildungsangebote
für Frauen und Männer im Rahmen der Erwachsenenbildung hilfreich
sind, wird ausführlich dargestellt. Vier ausführliche
Falldarstellungen runden das Buch ab und geben konkrete
Hilfestellung bei der Bearbeitung vergleichbare Konflikte und
Problemlagen im Rahmen der täglichen Assistenz.
Ganz nebenbei weist die Autorin auf einen ebenso wichtigen wie
häufig unterschätztem Aspekt hin: Zu einer gelungenen
Rehabilitation von Menschen mit Behinderungen gehört immer auch
ein gelungenes Stigmamanagement. Nur wenn es dem Betroffenen
gelingt, sein So-Sein in den Alltag und damit auch in sein Leben zu
integrieren, hat er auch eine realistische Chance auf umfassende
Teilhabe in den wesentlichen Bereichen des alltäglichen Lebens.
Darauf noch einmal hinzuweisen ist ein wichtiger Verdienst der
Autorin. Insoweit kann man dieses Buch nur allen Lehrenden,
Lernenden und Arbeitenden in allen Feldern der Heilpädagogik
ausdrücklich ans Herz legen.
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