Rezension zu Eine Couch auf Reisen
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Rezension von Fritze Dietmar
Der New Yorker Psychoanalytiker Robert U. Akeret stellt anhand von
5 Fallbeispielen dar, wie er seinem unorthodoxen Wunsch nachging,
30 Jahre später, als er 66 geworden war, doch noch einmal
nachzuschauen, was aus seinen Patienten eigentlich geworden war,
die er am Anfang seines Berufslebens versucht hatte, auf einem
verbesserten Gleis ins Leben losdampfen zu lassen.
Nehmen wir einmal das erste Beispiel, den Fall einer dissoziativen
Persönlichkeitsstörung. Mit der Start-Frage »Also, wie fühlen Sie
sich – glücklich?« hatte er bei der sehr attraktiven Naomi Goldberg
völlig unvorhergesehen eine große Szene weinenden Zusammenbrechens
ausgelöst. »Ich wurde in eine falsche Familie hineingeboren« war
die Antwort bei erstem Nachfragen. »Ich bin Contessa Isabella
Cortez de Seville.« Nun sah der bei Erich Fromm ausgebildete
Psychoanalytiker sein Problem klar definiert: Sollte er diese
offensichtliche Wahrnehmungstrübung, diesen Realitätsverlust
energisch einschreitend auflösen oder sich mehr abwartend
verhalten? Ihre Mutter hatte vor Nachbarn gerufen: »Sie ist nicht
mein Kind, die da; wir haben sie vor der Tür gefunden!« Genauere
Betrachtung der Familienzusammenhänge ergab allerdings, dass Naomi
Goldberg nicht adoptiert, sondern leiblicher Abkömmling ihrer
jüdischen Eltern war – die allerdings mit ihrer jüdischen Identität
auch schon ein großes Verbergungsproblem hatten. Naomi Goldberg
wollte mit dieser Problemlage nichts mehr zu tun haben. Sie brach
ihr Mathematik-Studium in New York ab, fuhr nach Mexiko, lernte
dort Spanisch und Flamenco. Sie wurde von einem durchreisenden
Ballettschul-Besitzer eingeladen, in seiner Truppe in Sevilla
mitzutanzen. Bald war sie dort als Isabella Cortez Vortänzerin und
heiratete einen Gitarristen des Ensembles. Robert Akeret hatte es
nämlich nicht gewagt, ihre erfundene, erträumte, vielleicht
schizophrenie-artig wirksam gewordene Zweit-Identität zu
zertrümmern und aufzulösen. Er hatte gewagt, dies als einen Versuch
des Körpers und der Seele zu betrachten, sich eine Brücke zu bauen
in ein lebenswerteres Dasein. Man zerstört keine Brücken, auch wenn
man nicht weiß, zu welchem Zweck sie überhaupt angelegt wurden.
Akeret versuchte sich mit der Dialektik-Theorie des Philosophen
Hegel zu trösten: Einer These (Naomi Goldberg) folgte eine
Anti-These: Isabella Cortez. Und die Synthese? Das Amerikanische in
seiner Patientin rumorte im doch wiederum auch etwas fremdartigen
Spanien. Sie überredete den Gitarristen und Ehemann mit ihr im
englischsprachigen London eine eigene Ballettschule aufzumachen.
Das klappte gut. Nun wollte sie, ganz im Sinne einer wachsenden
Synthese, dasselbe in ihrer Heimatstadt New York versuchen. In der
Übergangszeit wohnten die beiden wieder bei ihrer Familie in der
Bronx. Sie war der Meinung, ihre neue, zweite Identität, sei
genügend gefestigt. Sie könne von ihren Eltern nicht mehr aus der
Bahn ihres nun aufgebauten Lebens geworfen werden. Damit hatte sie
sich gründlich verrechnet. Bald stand sie wieder wie damals vor dem
Zwang, Selbstmord begehen zu müssen.
Wer sich für dergleichen Abläufe interessiert, dem sei dieses Buch
des Robert Akeret empfohlen, der nicht immer streng nach Vorgaben
der reinen Lehre zu arbeiten suchte...
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