Rezension zu Es war nicht deine Schuld

WeiberDiwan. Die feministische Rezensionszeitschrift. Sommer 2013

Rezension von Susanne Schweiger

Schuldübernahme als Selbstschutz

Die Autorin legt mit ihrer Diplomarbeit – zur Bedeutung des Schuldgefühls bei weiblichen Missbrauchsopfern – ein wichtiges Buch vor. Es geht um die Innenperspektive der Betroffenen, ihr subjektives Erleben des Schuldgefühls. Die Autorin fragt nach dem Entstehungszusammenhang, den Auswirkungen und den Möglichkeiten der Überwindung dieses Phänomens. Vor allem den letzten beiden Aspekten wurde in der Fachliteratur bisher zu wenig Beachtung geschenkt. Die Schuldgefühle, mit ihrem Kernaspekt, dem Wunsch nach Kontrollerhalt, stellen einen überlebenswichtigen Selbstschutzmechanismus dar. Zwar notwendig zur Abwehr der enormen Hilflosigkeit bedeuten sie doch einen großen Leidensdruck für die Frauen mit weitreichenden Auswirkungen auf ihr Selbstbild, ihr Verhalten bis hin zu psychogenen Schmerzen. Die Autorin orientiert sich im Theorieteil an psychoanalytischen Ansätzen (Ferenzi, Gruen) und an der Traumatherapie (Fischer & Riedesser). Ihre methodische Herangehensweise ist qualitativ, sie verwendet halbstrukturierte leitfadenorientierte Tiefeninterviews und arbeitet mit psychoanalytischer Textinterpretation. Besonders gefällt mir, dass sie die Betroffenen im Forschungsprozess als Verbündete bzw. Mitforscherinnen sieht. Das Buch ist speziell geeignet für ein Fachpublikum, das mit Betroffenen arbeitet. Als praktisches Ergebnis stellt die Autorin ein Prozessmodell zur Überwindung der Schuldgefühle vor, das sehr gut von BeraterInnen und PsychotherapeutInnen verwendet werden kann.

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