Rezension zu Supervision

FoRuM Supervision – Zeitschrift für Beratungswissenschaft und Supervision. Heft 41 ›Supervision und Verletzbarkeit‹

Rezension von Peter Griewatz

Supervision. Traditionslinien und Praxis einer reflexiven Institution

Katharina Gröning ist Professorin an der Fakultät für Erziehungswissenschaft der Universität Bielefeld. Ihr Forschungsschwerpunkt ist die Beratungswissenschaft. Dort hat sie auch den Masterstudiengang Supervision aufgebaut und sie ist Mitherausgeberin des ›FoRuM Supervision‹.

Nun legt sie mit »Supervision« ein Buch vor, das sich sowohl historisch als auch systematisch dieser besonderen Form der Beratung zuwendet. Gewidmet ist es Gerhard Leuschner und Angelica Lehmenkühler‐Leuschner und gibt damit einen ersten Hinweis auf die Intention dieses Buches. Die Geschichte der Supervision in Deutschland ist u.a. eng mit dem Namen Gerhard Leuschner verbunden. In der Mitte des Buches wird als dokumentarische Vertiefung ein Interview wiedergegeben, in dem Gerhard Leuschner und Wolfgang Weigand ihre Sicht auf die Entwicklung der Supervision in Deutschland wiedergeben. Hierbei werden die verschiedenen politischen Strömungen und weltanschaulichen Milieus der Supervision sichtbar. Es zeigt sich sehr deutlich, dass die Supervision mit Personen und Orten verbunden ist und wie sie mit der Entwicklung der Professionalisierung der Sozialen Arbeit in der Nachkriegszeit zusammenhängt. Hier bietet das Buch Material, das historisch‐kritisch noch gehoben werden sollte.

Der zweite wichtige Aspekt des Buches ist die Betonung der Supervision als reflexive Institution. Reflexion ist eine Denkbewegung, die die Gründe des eigenen Denkens und Handelns in den Blick nimmt und prüft. Das Argument legt die Gründe einer Meinung, einer Anschauung, eines Interesses, einer Tat oder deren Unterlassung frei. Damit sind Konflikte nicht allein gruppendynamischen Prozessen der Befindlichkeit geschuldet, mit denen die TeilnehmerInnen nur miteinander versöhnt werden müssen. Sondern es geht immer um Interessen und Positionen, die ausgehandelt werden müssen.

Damit rückt reflexive Supervision näher an Diskurs und Verstehen. Widersprüche und Konflikte werden zu menschlichen Angelegenheiten, die öffentlich, d.h. im Plenum der TeilnehmerInnen, verhandelt werden müssen. Dabei spielen Gefühle eine wichtige Rolle, sie sind jedoch » ... ›nicht sakrosankt und dürfen hinterfragt werden‹«, so wird Leuschner von Gröning zitiert (S. 42). Supervision als reflexive Disziplin hat aber auch politische Bedeutung. Sie ist der Konkurrenz anderer Beratungsformen wie dem Coaching oder der Organisationsberatung ausgesetzt und sollte sich selbst daher ihrer eigenen Grundlagen und Stärken versichern. Sie reflektiert gesellschaftliche, institutionelle und betriebliche Modernisierungsprozesse und stellt sich nicht unbedarft in deren Funktionszusammenhang. Supervision ist der Aufklärung verpflichtet und sie weiß zugleich, dass sie, die Aufklärung, doppelbödig und ambivalent ist, weil sie mit dem wissenschaftlich-technischen Zeitalter verbunden ist und sie zugleich kritisiert werden muss. Supervision zielt auf die Selbstgestaltung beruflicher Realität und weiß, dass Selbstherrschaft und Selbstthematisierung verborgene Machtinstrumente sein können. Diese Ambivalenzen muss sie aufdecken und offenlegen.

Das Buch »Supervision. Traditionslinien einer reflexiven Institution« ist eine Theorie reflexiver Supervision und ihre sozialwissenschaftliche Fundierung. Gröning bezeichnet ihr Buch selbst als »Entwurf« und »Skizzeq (S. 22). Damit verweist sie darauf, dass Supervision eine Zukunft hat, die uns weiter beschäftigen wird – in Theorie und Praxis. Neben der gesellschaftskritischen und psychoanalytischen Sicht öffnet Gröning Supervision einem neuhumanistischen Verständnis. Damit wird ein naturalistischer Fehlschluss vermieden, der die gegenwärtig existierende Supervision zu einer Norm von Supervision überhaupt erheben würde. Supervision ist der Aufklärung als der prinzipiell nicht abgeschlossenen Freiheitsgeschichte des Menschen verpflichtet. Dies verdeutlicht Katharina Gröning in ihrem Buch eindrücklich und ich wünsche ihr viele Leser, damit die Diskussion um Supervision nicht abbricht.

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