Rezension zu Das Fremde im Film (PDF-E-Book)
Ray. Filmmagazin 12/12+13/1
Rezension von Senad Halibasic
DAS FREMDE IM FILM
Das Fremde ist in unterschiedlichsten Formen allgegenwärtig.
Unbekanntes wird oft als unheimlich und bedrohlich, aber auch als
faszinierend wahrgenommen. So wie wir, sind auch die Figuren im
Film mit dem Fremden konfrontiert. Theo Piegler, renommierter
Psychotherapeut und Filmpublizist, hat mit »Das Fremde im Film«
eine Art Fortsetzung seines viel beachteten Buches »Mit Freud im
Kino« herausgegeben. Auch hier geht es wieder um psychoanalytische
Filminterpretationen, doch diesmal liegt der Fokus auf der
Benennung und Deutung des Fremden. Auffallend ist, dass Piegler in
ein paar Texten das Kernthema aus den Augen verliert. So ist
unklar, welches »Fremde« nun tatsächlich bei seiner Analyse von
Eyes Wide Shut von Interesse ist. (Das promiskuitive
Begehren als etwas Verdrängtes und fremd Gewordenes? Der anonyme
und somit fremde Körper als Lustobjekt?) Auch ist Pieglers Text zu
Casablanca weniger eine Analyse des »fremden Fremden, der
die Projektionsfläche für innere Konflikte darstellt«, wie im
Vorwort behauptet, sondern verirrt sich in uninteressanten und
bekannten Ausführungen zur Produktions- und Rezeptionsgeschichte.
Störender im Lesefluss sind gelegentliche saloppe Formulierungen
und inhaltliche Fehler: So wird in der Analyse von Gran
Torino fälschlicherweise behauptet, Clint Eastwood habe einen
Schauspiel-Oscar für Million Dollar Baby gewonnen. Die
Texte von Hannes König sind hingegen sehr aufschlussreich. In
seinen Ausführungen zu The Exorcist argumentiert er gegen
die häufige Behauptung, dass es sich dabei um eine Horrorversion
eines erfolgreichen psychoanalytischen Prozesses handelt. König
kommt zum Schluss, dass sich das vom Teufel besessene Opfer gegen
Ende nicht mehr an die Dämonen, die in ihr lauerten, erinnert und
somit »zwar eine moralische Reinigung, aber keinerlei psychische
Reifung« erlebt hat. In der Matrix-Trilogie erkennt König
jedoch die Analogie einer erfolgreich verlaufenden Psychoanalyse
mit Neo als Patienten und Morpheus als Therapeuten: »So wie Freud
die Psychoanalyse als ein Werkzeug zur Befreiung von hemmenden
archaischen Illusionen, Fantasien oder Sehnsüchten sah, so ist
Morpheus die kämpferische Leitfigur, die gegen die Illusion der
Matrix ankämpft und versucht, möglichst viele Menschen aus ihren
infantilisierten Fängen zu befreien.« In Königs Analysen der
Twilight-Reihe, Secret Window und The Picture
of Dorian Gray (2009) geht es dann mehr um psychische
Krankheitsbilder als um therapeutische Prozesse. Die Publikation
beinhaltet kaum neue Erkenntnisse über die analysierten Filme
selbst, sondern ist mehr eine weitgehend aufschlussreiche
Annäherung an die Problemfelder der Psychoanalyse über filmische
Beispiele.
Senad Halibasic