Rezension zu Darren Aronofsky
ray. Filmmagazin 04/13
Rezension von Senad Halilbasic
DARREN ARONOFSKY
Das alljährlich stattfindende Seminar »Im Dialog. Psychoanalyse und
Filmtheorie« widmete sich dem Regisseur, den Kai Mihm als »den
großen, dunklen Romantiker seiner Generation« bezeichnet hat:
Darren Aronofsky.
Der vorliegende Band umfasst sechs Beiträge, die sich aus
unterschiedlichen Perspektiven dem Schaffen Aronofskys nähern. Die
ersten beiden Texte stammen von Filmwissenschaftlern und
beschäftigen sich mit dem Gesamtwerk des Regisseurs. Marcus
Stiglegger analysiert inszenatorische Mittel, die bei Aronofsky
immer wieder zum Einsatz kommen und erkennt in ihm einen Auteur.
Christiane Mathes stellt anhand von Vivian Sobchacks Theorien der
körperlichen Erfahrung beim Filmerleben Parallelen zwischen
Aronofskys Werk und dem Subgenre des Body Horrors her. Dabei kommt
sie zum Schluss, dass »Aronofskys Filme bewusst darauf angelegt
sind, den Zuschauer sinnlich zu überfordern und eine Reduzierung
bis hin zum Zusammenbruch der ästhetischen Distanz zu bewirken […]
Sie sind ein Appell an unsere Fähigkeit zum sinnlichen
Verstehen.«
Das körperliche Filmerlebnis wird noch spezifischer im
abschließenden Text des Bandes behandelt: Ralf Zwiebel spricht,
unter Bezugnahme auf Elsaesser und Hagener, von einer ,„haptischen
(Film )Erfahrung«, die sich insbesondere bei The Wrestler und Black
Swan manifestiert: In Black Swan »spielt sich das ganze Ringen
zwischen Perfektion, Mangelhaftigkeit und Zerstörung auf der Haut
ab«, doch der große Unterschied zu The Wrestler besteht darin, dass
»der Zuschauer des Ballets diese körperlichen Wunden – den
geschundenen Körper – nicht sehen darf, während genau das beim
Wrestling das lustvolle Ziel ist.« Und »lustvoll« ist hier das
Stichwort: Die Haut wird als das primäre Organ der Autoerotik
gesehen.
Der Moment, in dem Protagonistin Nina (Black Swan) von ihrer Mutter
imaginär beim Masturbieren erwischt wird, wird hier als zentrale
Szene frühkindlicher Fixierungen gelesen. In The Wrestler wird der
Ring der Kämpfer an sich von Zwiebel als Metapher eines
»autoerotischen Käfigs« erkannt, in dem sich die Protagonisten
beider Filme befinden. Der Psychoanalytiker Peter Schraivogel
erkennt in der Geschichte von Max, dem Protagonisten aus Pi, einen
Veränderungsprozess analog zu einer Psychoanalyse. Der Theologe
Werner Schneider-Quindeau betrachtet The Fountain aus einer
zivilisationstheoretischen Perspektive. Als besonders spannend
erweisen sich Helmut Däukers Ausführungen zu Requiem for a Dream,
in der die unterschiedlichen Ebenen der Konsum-Sucht analysiert
werden. Die Logik der Sucht überträgt der Autor mit dem Konzept der
virtuellen Injektion in die Pupille auf die Medien und deren
Gebrauch. Wunderbare Conclusio, anlehnend an McLuhan: »The medium
is the drug.«
Senad Halilbasic