Rezension zu Das Fremde im Film
Psychologie in Österreich 1 | 2013
Rezension von Elisabeth Maier
Das Fremde im Film
Das Buch bietet eine kurzweilige Analyse bekannter Filme. Theo
Piegler, Hannes König und Gabriele Ramin gehen den Filmhandlungen
auf den Grund. Folgende Filme werden bearbeitet: Der Exorzist
(König), Enter the Matrix (König), Die Twilight-Reihe (König),
Das Bildnis des Dorian Gray (König), Das geheime Fenster (König),
Eyes Wide Shut (Piegler), Casablanca (Piegler), Three Seasons
(Piegler), Gran Torino (Piegler), Die Fremde (Piegler) und Der
seltsame Fall des Benjamin Button (Ramin).
In der Einleitung beschäftigt sich Piegler mit der Frage, wo uns
das Fremde begegnet: im Film, im Alltag und nicht zuletzt in uns
selbst. Filme bieten uns Projektions- und Identifikationsfiguren.
»Im günstigsten Fall löst das Fremde Faszination und Neugier aus
..., im ungünstigen Angst, Ablehnung und Bekämpfung ...« (S. 7).
Wir können dem Fremden in der eigenen Person, den ›eigenen
Fremden‹, begegnen – in Träumen und Fehlleistungen etwa ist dies
der Fall. Dem Fremden im Außen, also dem ›fremden Fremden‹,
begegnen wir bspw. wenn wir mit Migranten/innen zusammen kommen.
Sitten, Umgangsformen oder Bekleidung mögen irritierend wirken. In
Form von Katastrophenfilmen wird das ›fremde Fremde‹
externalisiert.
Vorausgehend jeder Interpretation stellen die Autoren/innen die
Filmhandlung kurz dar. So erinnert sich der/die Leser/in wieder an
den Ablauf und er/sie wird auf die wesentlichen Punkte der Handlung
hingewiesen, um der Interpretation gut folgen zu können. Auch für
Nicht-Kenner dürfte die Handlung ausreichend geschildert sein.
Letztere dürften ihren Fokus beim Lesen ohnehin auf
psychoanalytische Interpretationen legen, wobei wesentliche
historische Erkenntnisse der Psychoanalyse – die bis heute nichts
an Aktualität eingebüßt haben – anschaulich erklärt werden.
Aus dem Film »Der Exorzist« arbeitet König allgemein verständlich
Parallelen zwischen der Hauptfigur Regan und Anna O. heraus. Er
kommt zum Schluss, dass Regan von nichts Teuflischem besessen ist,
vielmehr ist das Gegenteil der Fall: »ihre unbewussten, verbotenen
und primitiven Selbstanteile« werden dem Zuseher präsentiert (S.
30). Es wird also das ›eigene Fremde‹ filmisch dargestellt. In
»Enter the Matrix« erkennt König »eine Metapher für die
analytische Therapie ... [und ein] Sinnbild für unsere moderne
Gesellschaft« (S. 43). Und so endet der erste Teil der Trilogie
auch: die Analyse ist zu Ende, die Eigenanalyse beginnt. Das
›eigene Fremde‹ konnte noch nicht integriert werden. Eine
vordergründige Rolle nimmt in der »Twilight-Reihe« der Narzissmus
ein. König beschreibt anschaulich die Kriterien der Störung und
schildert die Präsentation der Vampir-Familie im Film. In »Das
Bildnis des Dorian Gray« werden notwendige Auffälligkeiten der
kindlichen Entwicklung für die Entstehung einer narzisstischen
Persönlichkeitsstörung gezeigt. »Das geheime Fenster« handelt
manifest von einem Urheberstreit. Bei genauerer Analyse stellt sich
heraus, dass (und wie) der Protagonist dem eigenen Fremden
dissoziativ begegnet. Bei »Eyes Wide Shut« erinnert Piegler den/die
Leser/in an die Handlung in Schnitzlers »Traumnovelle«. In
»Casablanca« geht es um den Kampf gegen den Nationalsozialismus.
Mit Bedacht schafft Piegler den Spagat in der Analyse des Films:
einerseits der historische und gesellschaftliche Hintergrund bei
der Entstehung des Films, der tw. zu Oberflächlichkeit führt,
andererseits das tiefergehende Verständnis für die Handlung. So
bleibt hier das ›fremde Fremde‹ »die Projektionsfläche für innere
Konflikte« (S. 17). In »Three Seasons« geht es um den Vietnamkrieg
und die (Nicht-)Auseinandersetzung mit dem erlittenen Trauma. In
»Gran Torino« ist der/ die Zuseher/in mit dem Umgang verschiedener
Ethnien in der globalisierten Welt konfrontiert. Der Film »Die
Fremde« handelt von einer jungen deutsch-türkischen Mutter.
Piegler zeigt uns, dass das fremde Fremde »immer Ausdruck des
eigenen Fremden und damit unserer Ängste vor dem uns
Nicht-Bewussten« ist (S. 18). Auf eindrückliche Weise macht
Piegler den/die Leser/in mit der islamischen Kultur vertraut,
beleuchtet Ehre und Schamkultur vor dem Hintergrund der weiblichen
Sexualität. Abschließend beleuchtet Ramin in »Der seltsame Fall
des Benjamin Button« die Entwicklungskonflikte von Benjamin. In
Geist und körperlicher Größe entspricht er bei seiner Geburt
einem Baby, sonst hat er die körperlichen Gebrechen eines Greises.
Das zentrale Thema bleibt hier Abschiednehmen und Tod. Es ist ihm
vergönnt, in mütterlich geborgenen Armen zu sterben.
Fazit: Das Buch ist eine anspruchsvolle Lektüre für
Filmliebhaber/innen, die an einer anderen Perspektive der genannten
Filme interessiert sind. Jedoch sollten sie sich dabei nicht von
den gewichtigen Fachtermini – mit denen keineswegs gespart wird –
irritieren lassen. Für Psychologen/innen sei es als
abwechslungsreiche und gleichzeitig lehrreiche Lektüre empfohlen:
Film und Psychoanalyse werden auf unterhaltsame Weise zusammen
gebracht.
Für Sie gelesen von
Elisabeth Maier
Wien