Rezension zu Brennende Zeiten (PDF-E-Book)
Psychologie heute, April 2013
Rezension von Tilmann Moser
Äußere und innere Brandherde
Der Aachener Psychoanalytiker Thomas Auchter ist seit über 35
Jahren ein wacher Beobachter der Zeitläufe aus psychoanalytischer
Perspektive. Das zeigt der voluminöse Band Brennende Zeiten, der
Arbeiten aus seiner ganzen Lebensspanne zusammenfasst. Auchter
beschreibt etwa die Dehumanisierungstendenzen in der modernen
Gesellschaft, zum Beispiel in Pädagogik und Psychotherapie. Er
schreibt über die Entstehung und Bedeutung von Gewalt, im
Individuum wie in Völkern, über Terrorismus und
Selbstmordattentäter und unsere geschichtlichen
Erinnerungsstörungen. Interessant auch die Würdigung von Freud und
Winnicott als »politischen Autoren« sowie eine Psychoanalyse von
George W. Bush. Das Buch ist ein kommentietender Überblick über den
Stand der modernen Psychoanalyse, eine Art Lebenswerk Auchters. Es
ist bedeutsam für alle historisch und tiefenpsyologisch
Interessierten. Störend sind die unendlich vielen Verweise auf
sorgfaltigst dokumentierte Zitate, die manchmal den Lesefluss
unterbrechen. Der Autor belegt sein fast schicksalshaft zu
nennendes eigenes Engagement für die Psychoanalyse mit
biografischer Offenheit, er teilt es mit seinem Vater, einem
früheren prominenten Funktionär der Deutschen Psychoanalytischen
Vereinigung. Kriegserfahrungen und Gewalt spielten eine Rolle in
der Familie und vertieften Auchters intensive Anteilnahme an allen
politischen Bewegungen der letzten Jahrzehnte, die er durchlebt
hat. Vielleicht hätten nicht sämtliche »Jugendarbeiten« aufgenommen
werden müssen, andererseits illustrieren diese die Kontinuität in
Auchters Denken, und die ist wahrhaftig eindrucksvoll.
Tilmann Moser
Thomas Auchter: Brennende Zeiten, Zur Psychoanalyse sozialer und
politischer Konflikte. Psychosozial, Gießen 2012, 525 5.,
€46,90