Rezension zu Internationale Psychoanalyse Band 4-11

Psychologie in Österreich 1 | 2013

Rezension von Elfriede M. Fidal

Internationale Psychoanalyse 2012

Einleitend: Das International Journal of Psychoanalysis (IJP) aus dem die Artikel im vorliegenden Auswahlband 7 stammen, hat eine lange Tradition. Der britische Psychoanalytiker Ernest Jones wollte eine psychoanalytische Fachzeitschrift in englischer Sprache herausgeben, um die Psychoanalyse auch im englischsprachigen Raum bekannter zu machen. Zu dieser Zeit wurden – im Gegensatz zu heute – psychoanalytische Artikel großteils in deutschsprachigen Fachzeitschriften wie z.B. der »Imago« veröffentlicht. Ernest Jones kündigte die Herausgabe einer neuen Zeitschrift Sigmund Freud in einem Brief vom 7. Dezember 1918 an und dieser willigte ein. Die Veröffentlichung begann schließlich 1920, das Journal stand im Eigentum der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung und ihr Herausgeber war Ernest Jones. Seine Herausgeberschaft endete 1939. Während dieser Zeit veröffentlichte das IJP einige der wichtigsten Arbeiten von Sigmund Freud, Anna Freud, Karl Abraham, Sàndor Ferenczi, Melanie Klein und anderen. Das IJP enthielt auch einen eigenen Abschnitt, in dem Bücher, die sich mit Psychoanalyse beschäftigten, vorgestellt wurden. Das International Journal of Psychoanalysis erschien auch während des zweiten Weltkrieges und u übernahm sukzessive die deutschsprachigen Zeitschriften, die ihre Veröffentlichung einstellen mussten. Weitere Herausgeber waren James Strachey, Joseph Sandler, David Tuckett und andere mehr. Derzeit teilen sich Dana Birksted-Breen und Robert Michels die Herausgeberschaft. Die Adresse des Journals ist das »Institute of Psychoanalysis, 112a Shirland Road, London, W9 2EQ,UK«. Es erscheint sechsmal jährlich und war früher ausschließlich der weltweiten Psychoanalytischen Community zug änglich. Ab 1995 war es auf CD erha ältlich, seit mehreren Jahren ist das IJP, so wie andere englischsprachige Journale auch, für die Community im Internet abrufbar. Das International Journal of Psychoanalysis (IJP) unterliegt einem umfassenden Peer Review. Publiziert werden Beiträge zur psychoanalytischen Theorie, Technik und Methodologie, der Geschichte der Psychoanalyse, der klinischen Kommunikation, Forschung, Lebenszyklus-Entwicklung (life-cycle development), Angelegenheiten der Erziehung und des Berufes, der psychoanalytischen Psychotherapie und interdisziplinäre Studien. Kurze Zusammenfassungen in deutscher, französischer und spanischer Sprache vervollständigen die englischen Artikel. Das IJP gilt bis heute als wichtigste psychoanalytische Zeitschrift weltweit. Es ist also zweckmäßig und notwendig, Artikel dieses renommierten Journals auch in deutscher Sprache u übersetzt lesen zu können und damit einem breiteren, interessierten Fachpublikum leichter zugänglich zu machen.

Der vorliegende Auswahlband 7 beinhaltet elf Artikel des International Journal of Psychoanalysis (IJP) des Jahres 2011. Sorgfältig ausgewählt bietet er der interessierten LeserInnenschaft einen breiten Überblick u über den derzeitigen »state of the art« Wissenstand, die Überlegungen und Haltungen der Psychoanalytischen Community. Das kurze Vorwort von Erika Krejci beschäftigt sich mit dem IJP und der Problematik des Übersetzens von wissenschaftlichen Texten. Die Herausgeberin, Angela Mauss-Hanke leitet im Rahmen einer äußerst sensiblen und fachlich hoch qualifizierten Einführung in die folgenden Texte ein. Aus ihren sorgfältigen Anmerkungen wird spürbar, wie sehr sie darum bemüht ist, in klaren Worten den LeserInnen eine vielleicht manchmal neue und wissenschaftlich nicht leichte Materie näherzubringen und verständlich zu machen. Sie gibt außerdem wichtige Vorinformationen und Ergänzungen. Diese klar strukturierte und hilfreiche Einführung (Seite 11–22) sollte unbedingt zu Beginn gelesen werden. Mauss-Hanke macht neugierig auf die folgenden eigentlichen Artikel aus dem IJP, die in drei Kapitel zusammengefasst sind, nämlich in »I. Psychoanalytische Kontroverse«, »II. Psychoanalytische Theorie und Technik« und »III. Psychoanalytische Forschung«.

Das I. Kapitel »Psychoanalytische Kontroverse« umfasst vier Artikel, die sich speziell mit dem Spätwerk von Wilfred Bion beschäftigen, das schon immer in der Britischen Vereinigung, auch kontroversiell, diskutiert wurde. Die wissenschaftlich hochstehenden Texte wirken zwar zeitweise sperrig, werden aber durch klinische Beispiele aufgelockert und damit leichter verständlich gemacht. Der Artikel von Rahel B. Blass führt in die Kontroverse ein und fasst auch frühere Diskussionen zusammen. Rudi Vermote scheint es im folgenden Beitrag ein Anliegen zu sein, die »frühen« und die »späten« Vorstellungen Bions zu verbinden und er schlägt ein »zweigleisiges Modell« psychischer Veränderung vor. Der sorgfältige und genaue Kommentar dazu von David Taylor macht die hochkomplexen Inhalte verständlicher. Anschauliche Erläuterungen lockern die Materie auf. Spannend ist ebenso, die Antwort darauf von Vermote zu lesen. Für das Verständnis des ersten Kapitels erscheint mir die Einleitung besonders hilfreich und unterstützend.

Das II. Kapitel »Psychoanalytische Theorie und Technik« besteht ebenfalls aus vier Arbeiten. Den Anfang macht der Beitrag von Marie-Therese Khair Badawi, die Gründungsmitglied und derzeit Präsidentin der Libanesischen Vereinigung ist. In ihrem Artikel »(Da-)Sein, Denken, Gestalten. Wenn Krieg das Setting angreift und die Übertragung zurückschlägt« beschreibt sie in berührender und reflektierter Weise ihren Praxisalltag in Beirut. Ihr geht es dabei um die Frage, wie sich in einer real bedrohlichen Situation das klinische Setting aufrechterhalten lässt. Drei kurze und eindrückliche Beispiele ergänzen plastisch ihre Überlegungen. Die Kinder- und Erwachsenen Psychoanalytikerin Elena Molinari, beschäftigt sich in der folgenden Arbeit »Von einem Raum in den anderen – die Geschichte einer Kontamination« mit ihren Arbeitsgebieten. Sie ist der Meinung, dass die Kinderanalyse aus einem anderen kreativen Prozess hervorgeht, als die Analyse mit Erwachsenen. Die Kinderanalyse vergleicht sie mit dem Prozess des Malens, die Erwachsenenanalyse mit dem des Schreibens. Sie führt dies in fachlich klarer und lebendiger Weise aus, wobei Fallvignetten und Zeichnungen dies weiter veranschaulichen. Der folgende Artikel »U Überlegungen zu den klinischen Implikationen des Symbolismus« von Elias und Elizabeth da Rocha Barros beschäftigt sich mit dem Prozess der Symbolbildung und seiner Wichtigkeit für die zeitgenössische Psychoanalyse. Dies wird anhand einer psychoanalytischen Behandlung dargestellt und mit umfassender Theorie unterlegt. Der vierte Beitrag »U Über die Unmittelbarkeit unbewusster Wahrheit« von Rachel B. Blass beschäftigt sich mit dem psychoanalytischen Konzept des klinischen Arbeitens im »Hier und Jetzt«, so wie es Betty Joseph verstanden hat. Ergänzend dazu vergleicht sie fachlich kompetent andere Sichtweisen des Gebrauchs des Begriffes von »Hier und Jetzt« und diskutiert die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede.

Das III. und letzte Kapitel »Psychoanalytische Forschung« umfasst drei Artikel. Der erste Beitrag »Das Schicksal eines nicht anerkannten Traumas« von Adeline Fohn und Susann Heenen-Wolff berichtet über ein Forschungsprojekt, das von der Universität von Louvain finanziert wurde. Darin wird die Dimension der Nachträglichkeit und deren Bedeutsamkeit bei während des zweiten Weltkrieges in Belgien versteckten jüdischen Kindern untersucht. Die Ergebnisse dieser wissenschaftlich u überzeugenden, aber auch bedrückenden Studie basieren auf der Analyse von 60 Lebensberichten und einer psychoanalytisch orientierten Gruppenarbeit. Fallvignetten erläutern die Hypothesen. Den zweiten Beitrag »Psychoanalyse und Universität, eine schwierige Beziehung« steuert Otto Kernberg in seiner unnachahmlichen Art bei. Mit seinen U Überlegungen, aus denen große Erfahrung spricht, bringt er einerseits Kritik an den derzeitigen Haltungen der psychoanalytischen Ausbildungsinstitute an, um andererseits konkrete, sinnvolle und bereits umgesetzte Vorschläge aufzuzeigen. Der letzte Beitrag dieses Auswahlbandes »Levels of Emotional Awareness – Ein Modell der Konzeptualisierung und Messung emotionszentrierter struktureller Veränderung« ist eine Gemeinschaftsarbeit mehrerer Forscher, nämlich von Claudia Subic-Wrana, Manfred E. Beutel, David A.S. Garfield und Richard D. Lane. In diesem Artikel beschäftigen sie sich explizit mit Emotionsverarbeitung und ihren vielfältigen Manifestationen. Sie stellen die theoretische Konzeptualisierung und die Messung der »Levels of Emotional Awareness (LEA)« vor. Die interessante Studie, die zum Nachdenken anregt, wird durch sorgfältig dargestellte Fallbeispiele bereichert.

Ein informativer Anhang rundet das Buch ab. Darin werden kurz die Autorinnen und Autoren der Artikel des IJP sowie der Herausgeberbeirat des Auswahlbandes 7 vorgestellt. Dem folgt das Inhaltsverzeichnis des International Journal of Psychoanalysis (IJP) des Jahrganges 92 sowie die Hinweise für AutorInnen des IJP. Ein Sach- und Namensregister beschließen den Inhalt dieses sorgfältig aufbereiteten Auswahlbandes.

Es ist zu wünschen, dass ein weiterer Band folgt, der interessierten LeserInnen die Beschäftigung mit psychoanalytischen Überlegungen und Wissen ermöglicht und erleichtert.

Für Sie gelesen von
Elfriede M. Fidal
Wien

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