Rezension zu Bindung und Gefahr
KomJu, Kompetenz in der Jugendhilfe. Informationen über Vollzeitpflege und Adoption 01/2013
Rezension von Ines Kurek-Bender
Martin Stokowy, Nicola Sahhar (Hg.), Bindung und Gefahr
Das Buch enthält eine Sammlung von Aufsätzen zu Bindungsforschung
und fachpraktischer Anwendung bindungstheoretischer Erkenntnisse,
die an das von der amerikanischen Bindungspsychologin Patricia
McKinsey Crittenden entwickelte Dynamische Refungsmodell der
Bindung und Anpassung (DMM) anknüpfen.
Bindung wird hier im Kontext systemischer Perspektiven und in Bezug
zum jeweiligen Gegenüber gesehen. Bindungsmuster sind Ausdruck der
individuellen Strategien zum Selbstschutz in konkreten Handlungs-
und Lebenszusammenhängen. Dass auch Aspekte wie die spezifischen
Entwicklungsaufgaben der unterschiedlichen Lebensalter, der
kulturelle Kontext, die individuelle Lebenssituation und
Schichtzugehörigkeit, und anderes mehr in ihrer Bedeutung für die
unterschiedlichen Bindungsstile und den Ausdruck von
Bindungsverhalten berücksichtigt werden, stärkt die
Aussagekräftigkeit von Bindungsforschung und ihren Nutzen für die
Praxis von Gesundheitswesen, Kinder- und Jugendhilfe und Sozialer
Arbeit.
Zum Inhalt:
Vorgestellt werden Verfahren und Instrumente zur Bindungsdiagnostik
in unterschiedlichen Altersstufen: CARE-Index (Säuglings- und
Kleinkindalter), Preschool Attachment Assessment (PAA) für
Vorschulkinder, School Age Assessment of Attachement (SAA) für
Schulkinder, Transition to Adulthood Attachment Interview (TAAI) in
der Pubertät und Adult Attachement Interview (AAl) für
Erwachsene.
Ergebnisse der Forschung zur Bedeutung neurobiologischer Prozesse
für das Entstehen einer gegenseitigen Bindungsbeziehung zwischen
Mutter und Kind werden vorgestellt, in der Hoffnung, daraus für die
Prävention von Kindesmisshandlung und -vernachlässigung lernen zu
können.
Interessant für die Arbeit von Gutachtern in
Familiengerichtsverfahren könnte der Einsatz des
Familiengericht-Bindungsstandard der International Association for
the Study of Attachement (IASA) sein.
Mit Blick auf Pflege- und Adoptivfamilien ist der Aufsatz von Steve
Farnfleld zur »Bindung und Anpassung bei Ersatzeltern« von
besonderem Interesse. Alle Beteiligten von Adoption, der
unterschiedlichen Formen familiärer Pflege wie auch der
Unterbringung in Heimeinrichtungen differenziert betrachtend, gibt
der Autor Anstöße, den Bereich Pflegekindschaft, Adoption und
institutionelle Erziehung mit Hilfe aktuellen Bindungswissens
weiterzuentwickeln.
Ein Buch, dessen Lektüre spannend ist nicht nur für Fachkräfte im
Gesundheitswesen, der Kinder- und Jugendhilfe, Juristen und
wissenschaftlich Tätige, sondern durchaus auch für am Thema
Bindungsforschung interessierte Laien.