Rezension zu Obskure Differenzen
www.frauenberatenfrauen.at
Rezension von Bettina Zehetner
Marlen Bidwell-Steiner, Anna Babka (Hg.innen): Obskure
Differenzen.
Das Verhältnis von Psychoanalyse und Genderforschung ist kein
ungetrübtes. Klinisch arbeitende PsychoanalytikerInnen blenden in
ihrer Fokussierung der unbewussten Triebökonomie nicht selten
gesellschaftliche Strukturen aus, GenderforscherInnen wiederum
stellen immer wieder Prämissen der psychoanalytischen Theorie in
Frage. Sehr begrüßenswert ist darum der vorliegende Band »Obskure
Differenzen«, der die beiden Bereiche inter- und transdisziplinär
in kritisch-produktiven Dialog miteinander treten lässt.
Juliet Mitchell beleuchtet Geschwisterbeziehungen aus analytischer
Perspektive. Beate Hofstadler bietet einen kompakten Überblick über
das Verhältnis von Psychoanalyse, Film und Geschlecht mit dem Fokus
Crossdressing-Filme.
Ulrike Kadi ist der Figur der Mutter und ihrer »obskuren Autorität«
in Lacans Theoriegebäude auf der Spur und veranschaulicht in ihrem
Text »Begehren gebären« unsere Abhängigkeit vom Begehren des
Anderen anhand einiger Skulpturen von Jake und Dinos Chapman. Eva
Laquièze-Waniek würdigt und kritisiert Judith Butlers Freud-Lektüre
der melancholischen Einverleibung und identifikatorischen Annahme
des Geschlechts. Alice Pechriggl thematisiert die Homophobie in der
psychoanalytischen Tradition und Brigitta Keintzel untersucht die
Spuren des Gewissens bei Melanie Klein und Emmanuel Levinas. Anna
Babka und Marlen Bidwell-Steiner interpretieren Elfriede Jelineks
Vampirstück »Krankheit oder Moderne Frauen« mit Butlers Konzept des
übertragbaren lesbischen Phallus als lustvoll-quere Verstörung
heteronormativer Identitätsmodelle und Parodie phallischer
Ganzheit.
Ein vielfältiger Sammelband, lesenswert für TheoretikerInnen ebenso
wie PraktikerInnen aus den Feldern Psychoanalyse und Gender
Studies.
www.frauenberatenfrauen.at