Rezension zu Expressive Sandarbeit
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Rezension von Lilo Schmitz
Eva Pattis Zoja: Expressive Sandarbeit
Thema
Sandspielarbeit ist vor allem als Methode in der eher
mittelschichts-orientierten Kinderpsychotherapie bekannt geworden.
Eva Pattis Zoja will in diesem Band aufzeigen, wie wirkungsvoll
ihre dem therapeutischen Sandspiel verwandte Methode des
expressiven Sandspiels auch unter schwersten Bedingungen
einzusetzen ist.
Autorin
Eva Pattis Zoja ist Psychoanalytikerin aus der Schule von C.G. Jung
und arbeitet in freier Praxis mit ihrer Sandspielmethode. Für die
internationale Gesellschaft für Sandspieltherapie ist sie unter
anderem in Südafrika, China, Kolumbien und Argentinien tätig.
Aufbau
In ihren ersten 5 Kapiteln legt Eva Pattis Zoja die Basis ihrer
Sandspielarbeit dar. Im 6. Kapitel beschreibt sie ihre Methode, um
die zweite Hälfte des Buches ganz den Fallbeispielen zu widmen. Den
Abschluss des Buches bildet eine große Fotodokumentation.
Inhalt
In ihren ersten Kapiteln beschäftigt sich Eva Pattis Zoja mit den
Grundlagen ihrer expressiven Sandarbeit. Interessant ist hier ihr
Eingangskapitel zum sozialen Engagement in der Psychoanalyse der
Anfangszeit und die Wiener Poliklinik für Psychoanalyse, wo auch
ärmere Bevölkerungsschichten ohne Honorar beraten wurden. In diese
Tradition stellt Eva Pattis Zoja ihre Arbeit mit Menschen aus
Katastrophen- und Elendsgebieten. Als Jung’sche Psychoanalytikerin
gehören für Eva Pattis Zoja die kulturübergreifenden Konzepte der
Jung’schen Psychologie zur theoretischen Grundlage ihrer Arbeit.
Diese werden im 2. Kapitel dargestellt. Im 3. Kapitel stellt Eva
Pattis Zoja knapp, aber sehr informativ die methodischen Grundlagen
ihrer Arbeit vor, nämlich die World Technique von Margaret
Lowenfeld und das Sandspiel von Dora Kalff.
Im 4. bis 6. Kapitel beschreibt die Autorin ihre Grundannahmen und
Herangehensweisen zu Psychotherapie in Grenzsituationen und bei
Traumata. Überall dort, wo aufgrund akuter Krisen, Katastrophen und
großem Elend eine Einzel-Psychotherapie durch ausgebildete
Kinderpsychotherapeuten nicht durchführbar ist, hält Eva Pattis
Zoja ihr Modell für nützlich. In Gruppen wird Kindern die
Möglichkeit geboten, jeweils einzeln mit einem Sandspiel ihre
innere Welt darzustellen und damit zu verändern. Eindrucksvoll ist
auch im Bildteil zu sehen, wie aus Fotowannen, alten Schubladen und
flachen Behältern aller Art Sandspielkästen improvisiert werden,
die behelfsmäßig auf zwei Stühle als Gestell gelagert werden. Als
Spielmaterial werden neben Sand alle Arten von (Spiel-)Figürchen
genutzt, die für die Kinder zum Teil bekannt, zum Teil aber auch
geheimnisvoll und unbekannt sein sollen. Einfache Hilfsmittel
ermöglichen zudem den Bau von Mauern, Schutzwällen und Brücken.
Idealerweise sind die Sandkästen am Boden blau gestrichen (wie bei
Dora Kalff), um Flüsse, Meer und Inseln bilden zu können. Das
expressive Sandspiel nutzt die kulturübergreifende, also universale
Tendenz aller Kinder, interessante wie erschreckende Erfahrungen im
Spiel spontan zu bearbeiten, besonders wenn Material wie Sand und
Miniaturen dazu einladen. Durch den freien Ausdruck im Spiel,
verstärkt durch eine akzeptierende und liebevolle Begleitung,
verarbeiten Kinder und heilen sich selbst. Das ist nach Eva Pattis
Zoja besonders dann möglich, wenn die erlittenen Traumata einmalig
sind und offen über sie gesprochen werden kann. Schwieriger zu
bearbeiten sind anhaltende Situation von (z.B. sexualisierter)
Gewalt und Misshandlung, die oft parallel zur Sandarbeit laufen und
die Kinder fortlaufend bedrücken und belasten. Aber auch in diesen
Situationen stellt das expressive Sandspiel aus Eva Pattis Zojas
Erfahrungs-Sicht eine Möglichkeit dar, die andauernden Belastungen
zu verarbeiten und seelische Stärke zu gewinnen.
Die Kinder arbeiten in Gruppen in Zelten, auf behelfsmäßigen
Plätzen, in Ruinen, in Klassenräumen in mehreren Sitzungen mehrere
Sandszenen. Jedes Kind arbeitet an seinem eigenen Sandkasten und
hat einen eigenen erwachsenen Begleiter seiner Arbeit zur Seite.
Diese Begleiter sind anders als beim therapeutischen Sandspiel
keine ausgebildeten Psychotherapeut_innen, sondern sind sehr kurz
ausgebildete Studierende, Pädagog_innen, Lehrer_innen und
freiwillige Helfer_innen. In einem speziellen Curriculum von ca. 40
Unterrichtsstunden werden sie von Eva Pattis Zoja geschult, wobei
ein entscheidender Teil der kurzen Ausbildung auch aus einer
Selbsterfahrung in der Gestaltung von eigenen Sandbildern besteht.
Nach einer Hospitation als Beobachter_innen werden die
Begleiter_innen dann eingesetzt. Diese Helfer_innen begleiten
still, aufmerksam und zurückhaltend kommentierend das Sandspiel der
Kinder und entwickeln eine stützende und nichtwertend akzeptierende
Beziehung zu den Kindern. Die Helfer_innen werden supervidiert und
dokumentieren das Sandspiel der Kinder.
Sehr eindrucksvoll schildert Eva Pattis Zoja ihre Projekte in
Südafrika, China und Kolumbien. Eindrucksvoll zeigt die Arbeit mit
Erdbebenopfern von Beichuan/China, wie das expressive Sandspiel in
Katastrophengebieten eingesetzt werden kann. Erschütternd für mich
als Leserin sind vor allem aber die Projekte, die dort stattfinden,
wo unter elenden Lebensbedingungen Menschen erlittene Gewalt
unbarmherzig und grausam an Kinder weiter geben, die sie quälen und
missbrauchen. Ganz parteilich und empört schildert Eva Pattis Zoja
hier Lebensbedingungen von Kindern in Kolumbien, Südafrika und
China, die beim uninformierten Leser den Eindruck hervorrufen
können, dass in den geschilderten Regionen gewalttätige und
menschenverachtende Praktiken die Regel seien. Bei allem Respekt
vor Eva Pattis Zojas Erfahrungen und ihrem Projekt-Engagement sind
mir als Ethnologin diese Schilderungen und die damit verbundenen
gesellschaftspolitischen Deutungen an manchen Stellen zu
undifferenziert.
Außerordentlich beeindruckend, informativ und anregend sind die
Fotodokumentationen am Ende des Bandes. Sie illustrieren die
Vielfalt der Möglichkeiten zur Improvisation und zur Sandarbeit in
beschränkten Möglichkeiten und regen zur Nachahmung an.
Zielgruppe und Fazit
Ein (bis auf bestimmte gesellschaftspolitische Passagen) rundum
gelungenes Buch, das die Sandspiel-Arbeit aus den
mittelschichtslastigen psychotherapeutischen Milieus löst und
couragiert in Gebiete transportiert, in denen Menschen allgemein
und Kinder ganz besonders der Unterstützung bedürfen. Das Buch
möchte ich empfehlen nicht nur für Sandspieltherapeut_innen,
sondern für alle an szenischen Verfahren Interessierte.
Eva Pattis Zojas Buch sollte in jeder Bibliothek stehen, die auf
sozial- und primärpädagogische Arbeit spezialisiert ist.
Rezensentin
Prof. Dr. Lilo Schmitz
FH University of Applied Sciences Düsseldorf, Lehrgebiet Methoden
der Sozialarbeit am Fachbereich Sozial- und
Kulturwissenschaften
Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkt »Beruf und
Burnout-Prävention«
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