Rezension zu Beziehung und Psychose
HEP-Informationen 4/12, Berufsverband Heilerziehungspflege in Deutschland
Rezension von Dr. Ulf-Henning Janssen
Beziehung und Psychose
Wie einem Menschen unter einer Psychose begegnen? Und, schwieriger
noch, wie eine Beziehung zu ihm aufbauen, eine Beziehung, die dem
Betroffenen ebenso hilft, wie sie dem Mitarbeiter Sicherheit gibt?
Fragen, die sich jeder schon einmal gestellt hat, der erstmalig
einem Betroffenen begegnet ist, der sich in einer akuten Psychose
befunden hat.
Antworten auf diese Frage hält das Buch »Beziehung und Psychose«
vor. Der Untertitel dieses Buches gibt das Motto vor, dass die
Autoren leitet. Als »Leitfaden für den verstehenden Umgang mit
schizophrenen, depressiven und manischen Patienten« gibt das Buch
wertvolle Hinweise, die allerdings weit über den Rahmen einer
knappen Handlungsempfehlung hinausgehen. Die Autoren vermitteln
vielmehr umfassendes Wissen über die drei genannten
Krankheitsbilder.
Zunächst werden die aktuell gültigen Theorien zur Entstehung
aufgeführt, danach das diagnostische Instrumentarium vorgestellt,
um in einem letzten Schritt die Zielsetzungen von Therapie und
Rehabilitation zu erläutern. Hierbei kommen auch die
Möglichkeiten der medikamentösen Therapie nicht zu kurz, die
wiederum hilfreich sind, wenn der Mitarbeiter die notwendigen
Arztgespräche begleitet. Dass auch die lange Zeit verfemte
Elektrokrampftherapie nicht unerwähnt bleibt, ist angesichts der
therapeutischen Möglichkeiten, die damit verbunden sind,
erfreulich.
In diesen jeweiligen Abschnitten werden durch Fallbeispiele und
Merksätze die Möglichkeiten herausgearbeitet, die der Mitarbeiter
in der psychiatrischen Einrichtung nutzen kann, um Zugang zum
Patienten zu erhalten und einen hilfreichen Umgang mit ihm eingehen
zu können. Erfreulich ist auch die Herausarbeitung von
kommunikativen Teufelskreisen der jeweiligen Erkrankungen, da sie
verhindern, dass der Mitarbeiter selbst in derartige Fallen gerät,
sie aber auch eine gute Hilfestellung für die Zusammenarbeit und
das Verständnis von Angehörigen sein können. Nur am Rande sei
daher erwähnt, dass auch die Zusammenarbeit mit Angehörigen nicht
zu kurz kommt. Dass die verschiedenen Ebenen der Zusammenarbeit
(zwischen Patienten – Klinik – Wohnbereich – Arbeitsbereich –
Angehörigen) mit all ihren Problemen aber auch Chancen umfassend
herausgearbeitet werden, muss besonders positiv herausgehoben
werden, da andere Werke häufig nur auf eine Ebene abzielen.
Vor dem Hintergrund umfassender Therapie- und
Rehabilitationsmöglichkeiten in vielfältigster
Einrichtungslandschaft greifen derartige Ansätze
bedauerlicherweise jedoch einfach zu kurz. Die Kapitel »Beziehung
und Selbsterfahrung« sowie »Beziehung und Dokumentation«
beschließen das Buch. Ersteres verdeutlicht die Notwendigkeit, sich
einmal mit dem eigenen Gefühlserleben auseinanderzusetzen, da
dieses Vorgehen hilft, den Patienten besser verstehen zu können,
hat er doch nicht selten ein zwar übersteigertes, jedoch
vergleichbares Gefühlserleben, zweites die Chancen, die mit einer
gut geführten Dokumentation für den Behandlungsverlauf und sein
Ergebnis verbunden sind. Ein wichtiger Hinweis angesichts
zunehmender Dokumentationserfordernisse, die oftmals in der Praxis
eher als lästige Pflicht »ohne Nutz und Frommen« verstanden
werden, denn als Möglichkeit und Hilfe für den Patienten und die
ihn umgebenden Mitarbeiter.
Dieses Buch kann allen Mitarbeitern in psychiatrischen
Einrichtungen ebenso empfohlen werden wie auch Mitarbeitern der
Behindertenhilfe, die sich zunehmend mehr auch mit psychiatrischen
Krankheitsbildern konfrontiert sehen, ohne hierzu in der Ausbildung
genügend vorbereitet worden zu sein. Zu gering ist bedauerlicher
Weise noch der Umfang psychiatrischen Wissens, der beispielsweise
in der Ausbildung eines Heilerziehungspflegers vermittelt wird.
Nicht zuletzt wünscht man auch Betroffenen und ihren Angehörigen
die Lektüre dieses Buches. Sich selbst oder einen erkrankten
Angehörigen besser verstehen zu können und die verschiedenen
Behandlungskonzepte zu kennen, nimmt Ängste und hilft auf dem Weg
zur Gesundung.
Dr. Ulf-Henning Janssen
www.berufsverband-hep.de