Rezension zu Verantwortung der Psychotherapie in der Gesellschaft
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Rezension von Aspasia Zontanou
Jürgen Hardt, Uta Cramer-Düncher u.a.: Verantwortung der
Psychotherapie in der Gesellschaft
Thema
Das in 2011 herausgegebene Buch ist eine überarbeitete Auflage der
Dokumentation einer Veranstaltung des 3. Hessischen
Psychotherapeutentages im September 2005, mit dem Thema
»Gesundheitspolitische Verantwortung und Psychotherapie« und
behandelt kritische Themen der Gesundheitspolitik, die durch die
Politik, der Wirtschaft und dem konkurrierenden
Psychotherapieschulen und ausübenden Berufen, die wichtigste Sache
aus den Augen zu verlieren scheint: den Menschen. »So ist die
Geschichte dieses Kongressbandes selbst eine Station der
spannungsvollen Geschichte der Psychotherapie, die von
verschiedenen Berufsgruppen geleistet wird«, schreibt Jürgen Hardt
in der Einleitung.
Herausgeberinnen und Herausgeber
- Jürgen Hardt, Dipl.Psych. Präsident der Hessischen Landeskammer
für Psychologische Psychotherapeuten und Kinder und
Jugendlichentherapeuten (LPPKJP),
- Uta Cramer-Düncher, Psych. Psychotherap. Mitglied des Vorstandes
der LPPKJP in Hessen,
- Jörg Hein, Psych. Psychotherap., Kinder-und
Jugendlichentherapeut,
- Thomas Merz. Psych. Psychotherapeut, Vorstandsmitglied der
LPPKJP,
- Marion Schwarz, Psych. Psychotherapeutin, Kinder und
Jugendlichentherapeutin.
Zu den weiteren Autorinnen und Autoren
- Hans Bauer Dipl. Psych., seit 2005 Vizepräsident der
Bundespsychotherapeutenkammer.
- Gisela Borgmann-Schäfer, Dipl.Psych., seit 2009 Vorsitzende des
Aufsichtsrats des Bündnis für seelische Gesundheit e.G.
- Sigrid Borse, Dipl.Päd. Geschäftsführerin des Hamburger Zentrums
für Ess-Störungen, Mitglied im Vorstand des Bundesverbandes
Essstörungen
- Birgit Clever,Dr.med., Ärztin für psychotherapeutische Medizin in
Freiburg, seit 2002 Mitglied der Vertreterversammlung der
Landesärztekammer Baden Württemberg und des
Weiterbildungsausschusses
- Uta Cramer-Düncher, psychologische Psychotherapeutin, seit 2001
Mitglied des Vorstandes der LPPKJP
- Helmut Deist, Dr.med. Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und
Psychotherapeutische Medizin und Psychoanalytiker in eigener
Praxis
- Alexandra Dippel, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie,
seit 2004 ärztliche Direktorin einer psychosomatischen
Rehabilitationsklinik
- Alf Gerlach, Priv. Doz. Dr. med. Dipl. Soz. Facharzt für
Psychotherapeutische Medizin und Psychoanalytiker, von 1999 bis
2005 Mitglied im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für
Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik du Tiefenpsychologie
(DGPT)
- Frank Harries, psych. Psychotherapeut, seit 2000 Leiter der
Psychologischen Beratungsstelle und der Schwangerenberatungsstelle,
Philippshaus, Marburg
- Martin Hautzinger, Prof. Dr. Universitätsprofessor für
Psychologie, Leiter der Abteilung Klinische und
Entwicklungspsychologie in Tübingen
- Mark Helle, psychol. Psychotherapeut, seit 2002 Hochschullehrer
für Klinische Psychologie an der Fachhochschule Marburg-Stendal
- Hubert Hermes, Dr. rer. Nat., seit 2006 selbstständig als
Psychologischer Dienstleister für Einzel-und Paarberatung,
Forensische Psychologie, Institutionsberatung, etc.
- Ellis Huber, Dr.med. Studium der Geschichte, Germanistik, und
Humanmedizin, Vorstand der Securita GmbH in Hamburg, und der
Securita BKK
- Meinhard Korte, Dr. med. Arzt und Psychoanalytiker in eigener
Praxis, Lehranalytiker, Guppenanalytiker, Supervisor,
Gruppensupervisor, diverse Veröffentlichungen
- Armin Kuhr, Dipl.Psych. Dr. habil., ab 1990 regionale Leitung von
Weiterbildungskursen Verhaltenstherapie der DGVT
- Wolfgang Merkle, Dr.med., Psychoanalytiker, Facharzt für
Psychother. Medizin seit 1998 im Vorstand der Chefarztkonferenz
Psychosom. Psychother. Krankenhäuser
- Kurt Quaschner, Dipl. Psych., Dr.rer. nat. Psych.
Psychotherapeut, seit 2003 Mitglied von Prüfungskommissionen für
die Staatliche Prüfung für Psychologische Psychotherapeuten
- Willem van Reijen, Dr. phil.(Philosophie, Psychologie etc.)
Honorarprofessor an der Albert-Ludwigs-Universität zu
Freiburg/Breisgau
- Matthias Richard, Dr.Phil., Psych. Psychotherapeut, arbeitet an
der Universität Würzburg
- Horst Schmidbauer, Mitglied der Gewerkschaft HBV, AWO, Obmann der
SPD-Fraktion
- Wolfram Schüffel, Prof. Dr. Med. u.a. Gutachter, Prüfer
(Landesärztekammer)
- Ursula Stüwe, Dr. med.seit 2004 Präsidentin der Landesärtzekammer
Hessen
- Heiner Vogel, Dr.phil. Psych. Psychotherapeut, arbeitet an der
Universität Würzburg
- Karl Georg Zinn, Prof. Dr. der Volkswirtschaftslehre an der RWTH
Aachen
- Daniel Cohn-Bendit, Publizist und Politiker, Les Verts,
Co-Vorsitzender Die Grünen im Europäischen Parlament
Aufbau und Inhalt
Nach der Einleitung, von Jürgen Hardt und Cornelia Krause-Girth und
der Rede zur Eröffnung des 3. Hessischen Psychotherapeutentages von
Hans Bauer, folgt der Vortrag »Das Leiden an der Ökonomie ohne
Menschlichkeit-Mythos und Krise«, von Karl-Georg Zinn, er fragt
warum die reiche Gesellschaft Armut und Arbeitslosigkeit produziert
und was dagegen zu tun wäre und verweist auf die bereits von John
Mynard Keyned prognostizierte wirtschaftspolitische Entwicklung und
wie man Massenarbeitslosigkeit überwinden könnte.
In seiner Rede »Herr im eigenen Hause?« beschreibt Willem van
Reijen die zwei sich widerstreitenden Menschenbildern (Moderne und
Metaphysik), das eine verfährt nach den bekannten Regeln der Logik
und Kausalität, während das andere Menschenbild die Freiheit des
Handelns in den Vordergrund rückt. Anhand der Themen Sprache und
Geschichte wurde vom Redner der Versuch unternommen diese
gegensätzlichen Menschenbilder zwischen der Moderne und der
Metaphysik zu konkretisieren.
In den vier Foren werden folgende Themen erörtert:
Forum 1 »Psychotherapie in Institutionen«
Forum 2 »Zukünftige Entwicklungen der Psychotherapie:
Schulenbezogen oder integrativ? Störungsspezifisch oder
ganzheitlich?«
Forum 3 »Wissenschaftliche und ökonomische Gesichtspunkte und
Neuordnung der Psychotherapie«
Forum 4 »Prävention-gesundheitserzieherische Aufgaben und
Psychotherapie«
Das Buch endet mit den »Schlussbemerkungen zur Gesellschaftlichen
Relevanz der Psychotherapie und des Kammerprojektes« in der Jürgen
Hardt auf verschiedene Missstände in unserer Kultur und
Gesellschaft hinweist (z.B. Verlust des Trauens, Erhöhung der
Suizidrate, Gespräche im Minutentakt in der ärztlichen Sprechstunde
etc.) und welche Aufgaben die Psychotherapie vor sich hat. Er
betont, es sei »die psychotherapeutische Kunst des Verstehens von
Unverstandenem, die als Lebenspraxis von unersetzlichen Wert ist,
die als wissenschaftliche Methode aus der Mode gekommen und für den
psychotherapeutischen Alltag – ganz unabhängig von der
psychotherapeutischen Konfession – unerlässlich ist.«
Im Anhang ist eine Podiumsdiskussion beigefügt, in der Daniel
Cohn-Bendit, Ellis Huber, Ulrike Schneiberg, Jürgen Hardt, Horst
Schmidbauer, Ursula Stüwe. Elisabeth Lohmann, Meinard Korte und
Wolfram Schüffel mit Beteiligung des Publikums das Thema
»Entmenschlichtes Gesundheitssystem – Menschen« diskutierten. Anbei
ein paar Highlights: es ging erneut um das ökonomische Diktat der
Kassen, um die Nachfragestruktur, die laut Schmidbauer die
Angebotsstruktur abgelöst hat. Jürgen Hardt fragte u.a. »haben
Gesundheitspolitiker eine Vorstellung davon, wie sie von Menschen
reden, wenn sie nicht mehr von leidenden Menschen, von Patienten
reden, sondern von Kunden?« (S.314) Dr. Ursula Stüwe zum lCD und
den DRGs: »Dieses Buch ist eine Ausgeburt des Teufels«. Jürgen
Hardt zum Thema Mitleid: »Es geht hier um Empathie, um Mit-Leiden.
Und das heißt, dass der Therapeut sich als potentieller Kranker
verstehen muss.« Dr. Stüwe: »Ich gehe selbst nur im äußersten
Notfall zum Arzt; da muss man mich schon ›hinschleppen‹«.
Fazit
Bereits an der Anzahl der AutorInnen wird deutlich, dass es sich
bei diesem Werk um einen mutigen Versuch handelt nicht nur die
Beiträge, auch die Atmosphäre dieses Psychotherapeutenkongresses
wiederzugeben. Für den fachlich interessierten Leser könnte dieses
Buch auch eine wichtige historische Dokumentation der Stellung der
Psychotherapie in Deutschland in dem bereits angebrochenen neuen
Jahrtausend bedeuten und sich mit der eigenen beruflichen Position
und Perspektive auseinanderzusetzen. Es regt an, die eigene
Identität als praktizierender ärztlicher oder psychologischer
Therapeut kritisch unter den hiesigen politischen und
wirtschaftlichen Maßgaben zu betrachten und sich ernsthaft über die
Entwicklung dieses Berufsstandes und dessen Verantwortung in der
Gesellschaft Gedanken zu machen.
Rezensentin
Dipl.-Psychol. Aspasia Zontanou
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