Rezension zu Revolution der Seele
Eppendorfer. Zeitung für Psychiatrie 9/2012
Rezension von Verena Liebers
Freud & Co – Der Prozess der Lehre
George Makari beschreibt in romanhafter Form, wie sich die
Psychoanalyse allmählich entwickelte und verbreitete
Psychoanalyse und Freud werden meistens in einem Atemzug genannt
und sind heute auch den meisten Laien ein Begriff. Weniger bekannt
ist dagegen, wie sich Theorie und Praxis der Psychoanalyse
allmählich entwickelt und verbreitet haben. Erst durch das
entsprechende gesellschaftliche, philosophische und ärztliche
Umfeld konnte Sigmund Freud das Denkgebäude der psychoanalytischen
Schule zusammenfügen.
George Makari – Arzt, Professor für Psychiatrie und Leiter des
DeWitt Wallace Instituts für Geschichte der Psychiatrie in New York
– beschreibt anschaulich, dass dieser Weg nicht immer gradlinig
verlief. Damit setzt er zugleich den vielen Wegbereitern und
-begleitern Freuds ein Denkmal, die viel weniger berühmt wurden.
Makari macht deutlich, dass sie alle auf ihre Weise entscheidend
zur Entwicklung dieser Wissenschaft beigetragen haben.
Neben dem zeitgenössischen Umfeld spielte aber auch Freuds
persönlicher Lebensweg und Charakter eine wichtige Rolle.
Detailliert zeichnet Makari nach, wie der junge, unbekannte Arzt
nach einem erfolgversprechenden Betätigungsfeld suchte und den
Einflüssen unterschiedlicher Lehrer ausgesetzt war. Freud gelang
es, interdisziplinäre Einflüsse zu verbinden, arbeitete aber
zunächst vor allem karrierebewusst daran, eine Anhängerschaft für
seine Theorien zu gewinnen. Später setzte er dagegen Grenzen, engte
den Kreis der Freudianer ein, weil er allmählich »Angst hatte, was
in seinem Namen alles verbreitet wird«. Das Buch lehrt, wie derlei
persönliche Interessen letztlich Einfluss auf die Geschichte einer
Wissenschaft nehmen.
Makari, dessen Arbeiten schon mehrfach ausgezeichnet wurden,
gelingt es überzeugend herauszuarbeiten, dass die Psychoanalyse
keine Kopfgeburt im stillen Kämmerlein war. Vielmehr war es ein
jahrelanger Prozess aus Gespräch, Streit und neuen Erkenntnissen,
die sich um die Behandlung Leidender mit ihren vielfältigen
Symptomen rankten. Interessant auch, wie sich allmählich die
Ausbildungsregeln herauskristallisierten. Heute scheint es u.a.
selbstverständlich, dass Analytiker selbst eine Analyse erleben
müssen, ehe sie tätig werden. Die Begründer konnten noch keine
derartige Schule durchlaufen und mussten sich vieles erst
schrittweise im Kontakt mit den Patienten erschließen.
Makari hat das Buch in drei Abschnitte gegliedert. Zunächst
schildert er »Die Entstehung der Freudschen Theorie«, dann »Die
Entstehung der Freudianer«, die sich von Wien über Zürich bis in
die ganze Welt ausbreiteten und schließlich im Rahmen des
Faschismus aus Europa vertrieben wurden. Das letzte Kapitel
beschreibt unter dem Titel »Die Entstehung der Psychoanalyse«, wie
Freud im Streit mit Adler, Jung und Ferrenci seine Theorien
überdenkt und sich das Gedankengut trotz der Zerschlagung durch
Krieg und Nationalsozialisten noch erhält.
Durch die geschlossene Erzählweise macht Makari aus dem
Geschichtswerk eine Art Roman, entwirft das lebendige Bild einer
Zeit. Dennoch ist die Lektüre Laien eher weniger zu empfehlen. Wer
sich in den psychoanalytischen Schulen nicht auskennt, wird von den
unterschiedlichen Überlegungen und Hypothesen, die der heutigen
Theorie vorausgehen, leicht verwirrt.
Auch als schnelles Nachschlagewerk ist die differenzierte
Darstellung nicht geeignet, die anhand zahlreicher Quellen nicht
nur das Ergebnis sondern den jahrelangen Prozess psychoanalytischen
Denkens mit allen Brüchen und Problemen widerspiegelt.
Insgesamt ist »Die Revolution der Seele« ein komplexes,
atemberaubend detailliertes Werk, das jedem Psychoanalytiker ans
Herz gelegt werden kann. Schließlich wird anhand der
Entstehungsgeschichte deutlich, dass Psychoanalyse eine lebendige
Wissenschaft ist, deren Theorien nicht in Stein gemeißelt sind
sondern von klugen Köpfen beständig weiterentwickelt wurden und
auch in Zukunft werden sollten.
Verena Liebers
www.eppendorfer.de