Rezension zu Das Väter-Handbuch
Switchboard. Zeitschrift für Männer und Jungenarbeit Herbst 2012
Rezension von Thomas Gesterkamp
Heinz Walter, Andreas Eickhorst (Hg.)
Das Väter-Handbuch. Theorie, Forschung, Praxis
Heinz Walter, seit fünf Jahren emeritiert als Professor für
Psychologie an der Universität Konstanz, hat bereits zwei um
fangreiche Veröffentlichungen zum Thema Väter herausgebracht. Das
»Väter-Handbuch« von 2012 knüpft an »Männer als Väter« (2002) und
»Vater, wer bist du?« (2008) an. Wie hei den Vorgängern versteht
sich Walter auch hier im besten Sinne als älterer Mentor, der
generationelI nachfolgenden Autoren eine publizistische Bühne
bietet. Im vorliegenden Band drückt sich dies schon in der
gemeinsamen Herausgeberschaft mit dem deutlich jüngeren
Heidelberger Väterforscher Andreas Eickhorst aus.
Auf gut 700 Seiten sind rund 40 Texte von fast 60 Experten
versammelt. Hier liegt eine Stärke, aber auch eine Schwäche des
Buches, das sich als »solides Nachschlagewerk« definiert. Es
entsteht ein vielseitiges Mosaik, dem aber die Richtung fehlt
(vielleicht soll es auch gar keine haben). Manche der Aufsätze sind
langatmig, überschneiden sich thematisch mit anderen Beiträgen. Die
Materialfülle ist sicher auch dem im Vorwort richtig benannten Boom
der Väterdiskussion geschuldet, erschlagend bleibt sie dennoch.
Eine Reduzierung des Umfangs um 200 Seiten und ein daraus
resultierender Preis unter 50 Euro (den sich nicht nur wohlhabende
Institutionen leisten können) wäre wünschenswert gewesen.
Bedingt durch die geografische Lage von Konstanz am Bodensee hat
Mitherausgeber Walter überdurchschnittlich viele Kontakte zu
Kollegen aus der Schweiz und aus Österreich geknüpft. Zunächst
irritierend, aber dennoch spannend ist der Eröffnungsinput »Wo
bleibt Gurnemanz« von Markus Hofer, dem Leiter des Männerbüros in
Vorarlberg. Am Beispiel der historischen Parzival-Geschichte
schildert er die Suche eines vaterlos aufgewachsenen Jungen nach
Männlichkeit. Hofer begnügt sich nicht mit Mythopoetik, sondern
verknüpft diese Perspektive mit Forderungen an eine zeitgemäße
Erwachsenenbildung, in der »Väter wieder stärker ins Spiel kommen
müssen«. Die Arbeit mit Vätern dürfe nicht nur das Anliegen
»männerbewegter Zirkel« sein. Der Autor hält es für bezeichnend,
dass »gehobene Väterseminare eher mühsam laufen«, während
Vater-Kind-Wochenenden bestens funktionieren: »Väter/Männer tun
lieber etwas, beim Tun kommen sie dann auch zum Reden.«
Am interessantesten sind die Praxisberichte am Ende des Bandes,
versammelt unter den Überschriften »Einladungen an Väter« und
»Räume für Väter«. Die hier geschilderten Erfahrungen (von lvo
Knill, Ansgar Röhrbein, Eberhard Schäfer, Harald Seehausen,
Hans-Georg Nelles und anderen) tauchten bisher kaum im
wissenschaftlichem Kontext auf. Besonders gilt dies für den Beitrag
von Tobias Bücklein, der das Kabarett als eine geeignete
»Annäherung an die Zielgruppe Väter« beschreibt. Der Autor weiß,
wovon er spricht: Neben seinen Bühnenprogrammen »Über Väter und
Testosteron – Der Stoff aus dem die Männer sind« hat er sich
jahrelang bei der Zeitschrift »Paps« engagiert und einen Webshop
für Väter gegründet. Beide Projekte hatten nur mäßigen Erfolg,
während er mit seinen Auftritten stets die Säle füllt.
Lesenswert für alle Väteraktivisten sind Bückleins abschließende
Ratschläge »Was tun als Nicht-Kabarettist«. Deshalb an dieser
Stelle ein paar Kostproben: »Wählen Sie einen doppeldeutigen Titel,
der die Wörter Vater und Mann am besten nicht enthält und das Thema
eher umkreist als benennt«; »Vermeiden Sie bei der Ausschreibung
sozialpädagogisches oder feministisch angehauchtes Vokabular, das
auf eine weibliche Urheberschaft schließen lässt.«; »Bieten Sie
eine Art der Vermittlung an, die eine Distanzierungsmöglichkeit
beinhaltet.«, »Eine männliche Identifikationsfigur, die
nachweislich etwas kann und ›in der Tat‹ als Vorbild taugt, ist als
Veranstalter oder Referent am attraktivsten.« Und, in Abgrenzung zu
Mario Barth & Co.: »Nutzen Sie die wunderbare Ambivalenz von Humor,
ohne dabei kindisch oder geschmacklos zu werden.«
Thomas Gesterkamp