Rezension zu Psychoanalytiker im Spielfilm (PDF-E-Book)
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Rezension von Werner T. Fuchs
Ohne Helden keine Story. Und ohne Story kein Publikum. Und da diese
Behauptungen in Hollywood nicht angezweifelt werden, sind
amerikanische Filmproduktionen so erfolgreich, dass sie das
kulturelle Gedächtnis der Welt maßgeblich beeinflussen. Zumindest
in den westlichen Hemisphären.
Wie sehr der Einfluss der Unterhaltungsmedien die
Berufsvorstellungen junger Menschen beeinflusst, veranschaulicht
die Autorin gleich zu Beginn ihrer spannenden Dissertation mit
einem überraschenden Beispiel aus dem Bundeskriminalamt. Denn diese
ehrwürdige Institution sah sich 2005 offenbar dazu veranlasst, eine
elfseitige Erklärung im Internet aufzuschalten, die das Berufsbild
eines »Profilers« zurechtrücken soll.
Welches Bild der Psychoanalytiker wird durch den Spielfilm
vermittelt? Diese Frage steht im Mittelpunkt von Silvia Herbs
Dissertation. Doch statt ihre Leser mit Antworten zuzudecken,
motiviert die Autorin zum Beobachten. Und ohne dass dies aus dem
Klappentext hervorgehen würde, wird aus einer
medienwissenschaftlichen Analyse auch eine Schule des Sehens.
Ob die psychoanalytische Profession im Film zutreffend porträtiert
wird, ist für die Autorin von untergeordnetem Interesse. Ihr geht
es viel mehr darum, die Heldenfigur »Psychoanalytiker« zu
entschlüsseln. Warum weckt sie überhaupt ein so großes Interesse?
Welche Rolle nimmt sie in der Gesellschaft ein? Welchen Ängsten und
Hoffnungen dient sie als Projektionsfläche? Und wie gehen
Psychoanalytiker mit Machtinstrumenten um?
Da die Autorin davon ausgeht, dass die speziellen Codes der
Filmsprache nicht allen bekannt sind, erläutert sie verschiedene
Methoden der Filmanalyse. Und das macht sie in einer Sprache, die
ebenso klar wie verständlich ist. Zudem gibt sie zu Beginn ihrer
Ausführungen auch den Stand der Forschung wieder.
Für ihre Untersuchung wählte Silvia Herb ausschließlich Filme, die
zum Mainstream gehören und als Kassenschlager auch als DVD
verfügbar sind. Und um einen ersten Eindruck von Filminhalt und
–verlauf zu vermitteln, stellt sie den Analysekapiteln kurze
Inhaltsangaben voran.
Analysiert werden die Filme mittels der von Alfred Lorenzer
begründeten und von Hans-Dieter König weiterentwickelten Methode
der Tiefenhermeneutik. Das macht Sinn, ist doch diese Methode
vielen Medienwissenschaftlern bekannt ist und »Laien« gut
vermittelbar. Nach dem fünften Kapitel »Normalformerwartungen ins
Bild gesetzt« versteht der Leser das Konzept der visuellen
Erkennungsmarker so gut, dass er den Ausführungen der Autorin
folgen kann.
Ufern die meisten Dissertationen beim Inhaltsverzeichnis geradezu
unangenehm aus, kippt Silvia Herb ins Gegenteil. Neun Ziffern, neun
Sätze, dann Literatur, aber kein Register. Das Aufsuchen einzelnen
Themen oder bestimmter Filme ist also eher mühsam, was mein
positives Gesamturteil allerdings nicht beeinflussen kann.
Mein Fazit: Diese gekürzte Fassung einer Dissertation aus dem Jahre
2011 ist beispielhaft verständlich geschrieben. Und der Inhalt ist
nicht nur für Medienwissenschaftler und Psychoanalytiker
interessant, sondern auch für all jene, die sich in der Kunst des
Beobachtens weiterbilden wollen. Denn Silvia Herb verwendet für
ihre Analyse eine Methode, in deren Mittelpunkt das Sehen und
Erkennen visueller Marker stehen. Ein spannendes Buch, dessen
Lektüre viele bekannte Film der letzten dreißig Jahre in einem
neuen Licht erscheinen lässt.
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