Rezension zu Seelische Gesundheit in den ersten Lebensjahren
kinderkrankenschwester 31. Jg. (2012) Nr. 7 (Juli)
Rezension von Christine Huber
Seelische Gesundheit in den ersten Lebensjahren
Studien aus einer psychoanalytischen Klinik für Babys und ihre
Eltern von Fraiberg, Selma (Hg.)
Selma Fraiberg (1918–1981) ist eine Pionierin auf dem Gebiet der
frühkindlichen Entwicklungsberatung. Ihr 1980 in Englischer Sprache
erschienenes Buch »Clinical Studies in Infant Mental Health: The
First Year of Life« wird vielfach in der Fachliteratur zitiert.
2011 wurde es von M.-J. Augustin-Forster erstmals in Deutscher
Sprache herausgegeben.
Ihre Metapher der »Gespenster im Kinderzimmer« ist vielen
Gesundheits- und Kinderkrankenschwestern wohl bekannt. Die
unerinnerten Reinszenierungen aus der mütterlichen Vergangenheit
können die frühe Entwicklung und Bindung zum Baby belasten.
Fraibergs Pionierarbeit in der Mutter-Baby-Therapie als »therapy in
the kitchen« hat die Entwicklungs- und Bindungsforschung der
folgenden Jahrzehnte geprägt.
Das Buch beschreibt das von Fraiberg und Kollegen gegründete »Child
Development Project« (1972, Michigan, USA). Dort wurden körperlich
und seelisch entwicklungsgefährdete Säuglinge und deren – oft
traumatisierte minderjährige – Mütter betreut. In sozial
schwierigem Milieu wurden Hausbesuche durchgeführt. Die
Gratwanderung zwischen kindlicher Gefährdung und möglicher
mütterlicher Kompetenzstärkung ist für jede aufsuchende Therapie
eine enorme Herausforderung. Zuhören, Wertschätzung und Klarheit
sind dabei wesentliche Werte, die beschrieben werden. Sie bilden
die Basis, um das Vertrauen der Mütter zu erringen. Ziel ist es,
den Müttern ihre ureigene Rolle am positiven Entwicklungsprozess
des Babys aufzuzeigen, ohne als Therapeut in die Rolle der
»besseren Mutter« abzugleiten. Dieser Prozess gelingt nicht
immer!
Anhand von Fallbeispielen werden die psychotherapeutisch
orientierten Hausbesuche und der therapeutische Prozess im
Hintergrund detailliert beschrieben. Für den Leser ist die Arbeit
sehr gut nachvollziehbar und kann gerade für Gesundheits- und
Kinderkrankenschwestern, die in der häuslichen Pflege arbeiten,
wichtige Hinweise für die eigene Arbeit geben.
Ein amerikanisches Modellprojekt aus den frühen 80er Jahren, das an
Aktualität nichts verloren hat!
Christine Huber
Kinderkrankenschwester und Heilpraktikerin