Rezension zu Elternarbeit
www.socialnet.de
Rezension von Peter Prof. Dr. Bünder
Annelinde Eggert-Schmid Noerr, Joachim Heilmann u.a. (Hrsg.):
Elternarbeit
Thema
Das Buch möchte in einer komprimierten Form die
psychoanalytisch-pädagogische Perspektive zur Zusammenarbeit mit
Eltern und ihrer Beratung darstellen.
Autorinnen
Annelinde Eggert-Schmid Noerr ist Professorin für Sozialpädagogik
an der Katholischen Fachhochschule Mainz. Joachim Heilmann ist
Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut. Dr. phil. Heinz Krebs ist
Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut und Psychoanalytischer
Pädagoge.
Aufbau und Inhalt
Das Buch gliedert sich in einen Einführenden Überblick zur
Zusammenarbeit mit Eltern sowie zwölf thematische Beiträge
einzelner Autorinnen und Autoren.
In ihrem Überblick führen Heinz Krebs, Joachim Heilmann und
Annelinde Eggert-Schmid Noerr ein, indem sie die ambivalente
Bedeutung des Begriffs »Elternarbeit« problematisieren. Was in
pädagogischen Kontexten üblicherweise Elternarbeit genannt wird,
stellt sich häufig als ungeliebte Zusatzbelastung der
professionellen Kräfte dar, weshalb sie oft als widersprüchlich
erfahren wird. Die Autoren führen drei Konfliktprofile an, die
heutige Elternschaft belasten. Da ist zum einen der Anspruch, dass
Kindern ein gewisses Maß an Selbstbestimmung geboten werden,
andererseits aber auch sichergestellt werden soll, dass sie einen
möglichst guten Platz in der Leistungs- und Konkurrenzgesellschaft
finden können. Zum zweiten führt die Pluralisierung und
Individualisierung der Lebenslagen, Normen und Werte dazu, dass
traditionelle Erziehungsvorstellungen nicht mehr aufrechterhalten
werden können, was bei vielen Eltern zur Wahrnehmung führt, dass
sie ihre Kinder mit erzieherischen Mitteln kaum noch erreichen
können. Drittens wächst die Zahl der Eltern, die aufgrund eigener
biografischer Restriktionen kaum in der Lage sind, das Recht ihrer
Kinder auf Erziehung angemessen realisieren zu können. Für die
Autoren erwächst daraus ein erhöhter Reflexionsbedarf für
pädagogische Fachkräfte im Hinblick auf die notwendige
Zusammenarbeit mit den Eltern der Kinder, für die sie in
verschiedenen Kontexten tätig sind. Krebs, Heilmann und
Eggert-Schmid Noerr heben dabei den Blick auf die psychoanalytische
Pädagogik hervor, weil diese nach ihrer Meinung ermöglicht, die
Interaktionen zwischen Eltern und Pädagog/innen auf eine Weise zu
betrachten, die auch die zunächst unbewussten und verborgenen
Aspekte des Beziehungsgeschehens und der Konflikte wahrnimmt und
reflektiert.
Die folgenden zwölf Einzelbeiträge setzen unterschiedliche
thematische Schwerpunkte.
Annelinde Eggert-Schmid Noerr beginnt mit Elternarbeit und soziale
Mileus. Stark soziologisch orientiert beschreibt sie mit Bezug auf
das so genannte Sinus-Milieu-Modell eine milieubezogene
Elternarbeit. In einen informativen Beitrag thematisiert Martin R.
Textor wichtige und kritische Aspekte einer Erziehungspartnerschaft
mit Eltern von unter Dreijährigen. Dem folgt ein korrespondierender
Beitrag von Thilo Maria Naumann zur Elternarbeit in der Kita. Eine
spezielle Sichtweise zu problembelasteten Eltern bietet der Beitrag
von Manfred Gerspach zur Beschädigung der elterlichen
Mentalisierungsfunktion. Er stellt auf wenigen Seiten sehr
komprimiert das Mentalisierungskonzept von Peter Fonagy dar. Neuere
Entwicklungen in der Zusammenarbeit von Pädagog/innen und Eltern
lautet der kurze Beitrag von Bernd Niedergesäß. Er beschäftigt sich
mit den Auswirkungen der gesellschaftlichen Veränderung auf diese
Zusammenarbeit. »Die Überwindung der seelischen Blindheit« betitelt
Martin Schmidt die Elternarbeit im psychotherapeutischen Kinderheim
Osterhof. Er beschreibt die dortige Elternarbeit als dialogischen
Verstehensprozess. Die spezifischen Aspekte in der Beratung von
Eltern in Trennung und Scheidung problematisiert der kurze Beitrag
Rettungsphantasien und Rivalität in der Elternarbeit von Hans von
Lüpke. Diese Thematik wird fortgeführt in dem längeren Beitrag von
Claudia Burkhardt-Mußmann mit dem Titel »Wenn zwei sich streiten,
bleibt der Dritte auf der Strecke«. Sie widmet sich vertieft
»elterlichen Kampftrennungen und dyadischen Verstrickungen«. In
zwei weiteren Beiträgen beschäftigen sich Marianne Rauwald mit
»Migration und Trauma« sowie Jochen Heilmann mit »Elternarbeit mit
psychisch kranken Eltern«. Den Abschluss des Buches bilden zwei
Beiträge aus dem Kinder- und Jugendhilfe- bzw. Schulkontext. Heinz
Krebs beschäftigt sich mit Elterngesprächen in der Kinder- und
Jugendhilfe. Sein Schwerpunkt liegt auf dem Umgang mit Schuld- und
Schamkonflikten in institutionellen Kontexten. Christoph Kleemann
problematisiert unter dem Titel »Diese Eltern kannst du vergessen«
die Notwendigkeit der professionellen Gestaltung von
Arbeitsbündnissen zwischen Eltern und Schule.
Zielgruppen
Das Buch eignet sich für alle Fachkräfte, zu deren Aufgaben eine
professionelle Arbeit mit Eltern gehört. Ihnen kann dieses Buch
wertvolle Denkanstöße und Reflexionshilfen bieten.
Fazit
Alle Beiträge sind in einer verständlichen Sprache geschrieben. In
vielen Beiträgen werden die theoretischen Ausführungen von
aussagekräftigen Fallbeispielen gerahmt. Es fällt auf, wie defensiv
mit der für das Buch grundlegenden psychoanalytischen Ausrichtung
umgegangen wird. Der sehr allgemein gehaltene Titel hätte genauso
gut auf eine andere fachliche Orientierung gepasst. Das hier
explizit von einer psychoanalytisch-pädagogischen Grundposition
ausgegangen wird, erschließt sich erst im Lauf des Textes. Dies
korrespondiert inhaltlich mit direkten psychoanalytischen Bezügen.
Es sind hier vordringlich die Beiträge von Schmidt und Heilmann,
die auch durch ein entsprechendes Vokabular einen direkten
psychoanalytischen Bezug deutlich machen. Die meisten anderen
Beiträge ließen sich ohne große Mühen auch unter einem anderen
Theoriedach vorstellen.
Es ist ein überwiegend spannendes Buch, welches das wichtige Thema
mit einem breiten Spektrum von Beiträgen abhandelt. Denn obwohl das
Thema Elternarbeit von großer Bedeutung ist, findet sich dazu nicht
viel neuere Literatur. Es ist daher ein Verdienst dieses Buches,
hier eine Lücke zu schließen.
www.socialnet.de