Rezension zu Wiener Jazztrio
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Rezension von Ulrike Schmoller
Im Wien der dreißiger Jahre findet sich ein Grüppchen junger Juden
zusammen, die sich in einer sozialistischen Arbeitsgruppe
engagieren: Nathan Menzel, der unter Pseudonym eine Chronik
veröffentlicht, die sich gegen den zunehmenden Antisemitismus
wendet, sein Bruder Oscar, ein angehender Chirurg, der Gynäkologe
Gerhard Rosenblum sowie ihre Freundinnen Hanna, Blanca, Lotte und
Lea und leider auch Hansi, der sich bald den Nazis anschließt. Sie
haben Kontakte zu Sigmund Freud und Wilhelm Reich. Der Pianist
Nathan und der Saxophon spielende Gerhard tun sich mit Peter Groß
und seinem Kontrabass zusammen und nehmen die ersten Strömungen der
Jazzmusik auf, die aus Amerika herüber schwappen. Sie gründen das
Wiener Jazztrio, mit dem sie bald Erfolg haben und durch das sich
ihnen ganz neue Kreise erschließen. Sie lernen viele Berühmtheiten
der Jazzmusik kennen. Ihre guten Kontakte können sie brauchen, denn
der Austrofaschismus nimmt immer schlimmere Formen an. Während
einer Konzertreise nach London hören sie von der Annektierung
Österreichs. Ohne ihren Frauen helfen zu können, gelingt ihnen
gerade noch die Flucht … Tomas Böhm erzählt hier die
Lebensgeschichte außergewöhnlicher Menschen, deren Schicksale eng
miteinander verknüpft sind. Verbunden sind sie durch den Kampf
gegen den Nationalsozialismus, den Jazz und die Psychoanalyse. Man
verfolgt sowohl die ganz unterschiedlichen Lebenswege wie auch die
politischen Entwicklungen mit gespanntem Interesse. Er nimmt sowohl
die neu aufkeimenden Kulturströmungen auf, wie er von den
Gräueltaten der Nazis berichtet. Dass er selbst aktiver Jazzmusiker
ist, kommt ihm bei der Beschreibung der Sessions zugute. Dieser
Leckerbissen versteckt sich bei einem Verlag, bei dem man ihn
vielleicht nicht vermuten würde, und verdient ans Licht geholt zu
werden.
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