Rezension zu Die Kulturpsychologie Otto Ranks - eine legitime psychoanalytische Kulturtheorie (PDF-E-Book)

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Rezension von Götz Egloff

Die Auswärtige Presse e.V.
Internationale Journalistenvereinigung Hamburg

Zur Wiederentdeckung Otto Ranks für die Psychoanalyse

Vor 15 Jahren fand die Tagung der Internationalen Studiengemeinschaft für Prä- und Perinatale Psychologie und Medizin (ISPPM) und der Deutschen Otto Rank Gesellschaft (DORG) in Heidelberg statt.

In diesem Jahr jährt sich die Otto-Rank-Tagung, die vom 1. bis 2.11.1997 in Heidelberg stattfand, zum 15. Mal. Sie stellt eine Art Wendepunkt der Reflektion auf Grundkonzepte psychoanalytischen Denkens dar, an dem Überlegungen und Ergebnisse der internationalen Rank-Forschung zusammengetragen und zugespitzt wurden. Vielfältige, teilweise konträre Positionen und Ansätze wurden ausgetauscht, Entwicklungslinien des psychoanalytischen Denkens herausgearbeitet und in den historischen Kontext eingebettet.

Es sollte darum gehen, zu einem tieferen psychodynamischen Verständnis seelischer Vorgänge zu gelangen bzw. die bisherigen Erkenntnisse über den seelischen Apparat kritisch zu überprüfen und erneut scharf zu stellen. Dass dies eine spannungsreiche Veranstaltung (wie Ludwig Janus im Vorwort des Tagungsbandes festhält) würde, durchdrungen von theoretischen und behandlungstechnischen Kontroversen, war abzusehen und durchaus wünschenswert.

Bertram Müller, Psychotherapeut und Direktor des Tanzhauses NRW, Düsseldorf, betonte die Bedeutung des Konzepts des Willens für Menschenbild und Behandlungstechnik; Marina Leitner, berichtete von der in ihrer Dissertation »Freud, Rank und die Folgen« (Wien, 1998) vorgelegten Durchdringung persönlicher Konflikte und Verstrickungen der Protagonisten und von deren Auswirkungen auf psychoanalytische Entwicklungslinien. Hervorragende Vorträge von Ernst Falzeder, der die Verquickungen in der Ideenbildung zwischen Rank, Freud und Sándor Ferenczi beleuchtete, Peter Rudnytzkys kritische Auseinandersetzung mit Rank, Alfons Reiters Einblick in Ranks Konzept von Kunst und Künstler, und Wolfgang von Ungern-Sternbergs Vortrag, der tief in Schrift und Zeit des damaligen Wiens eintauchte, stellen nur einen kleinen Ausschnitt der Einblicke in Ranks Leben und Werk dar. Die wissenschaftliche Leitung der Tagung wurde von Ludwig Janus, Heidelberg, gewohnt integrativ durchgeführt.

Otto Rank (1884-1939), Vordenker der Bedeutung der präödipalen Mutter-Kind-Beziehung und somit Impulsgeber für die Schulen Melanie Kleins und Donald Winnicotts, hatte das traumatische Erlebnis der Geburt herausgearbeitet und sich somit von Freud abgegrenzt. »Das Trauma der Geburt«, 1924 verfasst und durch den Psychosozial-Verlag wieder zugänglich gemacht, bleibt eins seiner bedeutendsten Werke. Als Lehranalytiker von Anaïs Nin machte Rank von sich reden, als Impulsgeber für viele Künstler im atlantischen Raum übte er Einfluss auf z.B. Henry Miller aus. Den nachhaltigsten Einfluss hatte er vielleicht auf Carl Rogers, dessen klientenzentrierte Gesprächstherapie wohl das Verfahren mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner und dem ausgeprägtesten humanistischen Menschenbild darstellt. Mit Ferenczi formulierte Rank in »Entwicklungsziele der Psychoanalyse« (1924) die analytische Situation als das, was sie in den meisten psychoanalytischen Praxen bis heute darstellt. Dass der psychoanalytische Prozess ein intersubjektiver Aneignungsprozess ist, der viel von einem künstlerisch-performativen Akt hat, hat zuletzt Diana Pflichthofer (Gießen, 2008) herausgearbeitet. Die Offenheit für derartige Überlegungen konnte wohl nur von einem ungewöhnlichen Pionier der Psychoanalyse gebahnt werden. Das Werk »Kunst und Künstler« (1932), auch in Zwiesprache mit Anaïs Nin entstanden, stellt eine Grundlegung zur künstlerischen Neurosenbewältigung dar, die das Leben als Ausdruck in Kunst oder als Ausdruck im Symptom versteht – der Mensch hat die Möglichkeit qua Willen seine Neurose in Bahnen zu lenken.

Besonders wichtig erscheint daher Ranks Wirkung auf die psychoanalytische Haltung, die den Willen zwischen Überwindung (Schopenhauer) und Bejahung (Nietzsche) zum Thema macht und zwei entgegengesetzt erscheinende Positionen dazu bestimmt, synthetisch zusammengeführt zu werden.

Auch wenn die Meldung zum 125. Geburtstag Ranks es gar bis ins Deutsche Ärzteblatt PP (4, 2009) geschafft hat, ist die Bedeutung Ranks noch nicht ausreichend ins Bewusstsein vieler psychoanalytisch denkender Zeitgenossen vorgedrungen. Dennoch haben manche von Ranks Arbeiten wieder vermehrt Eingang in die Psychoanalyse gefunden.

Der im Psychosozial-Verlag erschienene Tagungsband »Die Wiederentdeckung Otto Ranks für die Psychoanalyse« (Gießen, 1998) gibt einen Einblick in die thematisierten Entdeckungen; ebenso das Standardwerk »Otto Rank – Leben und Werk« von E. James Lieberman (Gießen, 1997), das eine eindrucksvolle Zusammenschau der Rankschen Werk-, Wirkungs- und Lebenslinie gibt.

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