Rezension zu Schreiben als Therapie?
Psychologie in Österreich 4/2011
Rezension von Barbara De Sousa Teixeira
Wie schon der Titel verspricht, widmet sich das Buch der oft
gestellten Frage, ob das Schreiben eine Art von Therapie sein kann.
In den ersten beiden Kapiteln wird eine Einleitung mit kurzer
Vorschau auf das Buch gegeben, sowie eine Begriffsbestimmung
versucht, was denn unter »schreiben« und »Therapie« in diesem
Kontext zu verstehen sei. Kapitel 3 widmet sich Untersuchungen und
Theorien zum Thema und Kapitel 4 beschreibt eine Studie. In den
folgenden 3 Kapiteln wird auf die beiden Bereiche fiktionalen
Schreibens »Selbsterkenntnis« und »Wunscherfüllung« eingegangen und
im 8. und letzten Kapitel findet man noch eine Zusammenfassung der
Erkenntnisse und eine abschließende Betrachtung.
Ausgehend davon, dass man »das, was man in Beziehung zu setzen
wünscht, bereits einigermaßen verstanden haben sollte« wird der
Frage nachgegangen, was die Begriffe Fiktionalität, Erzählen,
Literatur bzw. das Literarische bedeuten und auch was unter
Therapie zu verstehen ist. Weiters wird der Zusammenhang von
Therapie mit Gesundheit und Krankheit näher betrachtet. Die
Begriffe werden hierfür noch weiter zerlegt, analysiert und es
entsteht ein komplexer Eindruck davon, was unter der Bezeichnung
des fiktionalen Schreibens, worauf sich das Buch im Weiteren
bezieht, im Zusammenhang mit therapeutischen Effekten gemeint
ist.
Klinische Erzählforschung oder Narrativik steht an der
Schnittstelle von Psychologie, Psychotherapieforschung und
Sprachwissenschaft und meint ein Interesse am Phänomen des
Erzählens. Erzählforscher wie Brigitte Boothe oder Gabriele
Lucius–Hoene haben Konzepte entwickelt, die sich mit der Bedeutung
und dem Aufbau von alltäglichem Erzählen befassen. Diese und
weitere Konzepte werden im dritten Kapitel beschrieben und erklärt.
Diese Konzepte sind teilweise auch auf fiktionales Schreiben
übertragbar. In Folge wird auch darauf eingegangen, inwieweit das
geht und wo die Unterschiede zu finden sind. Auch die Arbeit von
Pennebaker und Beall (1983) wird beschrieben. Es ist eine der
ersten Arbeiten über die Wirkung von expressivem Schreiben und hat
viele Forscherinnen zu Folgestudien angeregt.
Nachdem die Wirksamkeit von fiktionalem Schreiben mehrfach
bestätigt scheint, widmet sich das Buch Studien und Untersuchungen,
die die Wirkfaktoren näher untersuchen, also der Frage »Warum wirkt
Schreiben therapeutisch?« Inhibition und Habituation, Prozessierung
von Emotionen und Erleichterung des Vergessens werden hierbei
genannt sowie eine Steigerung oder ein Wiedererlangen von
Kreativität, als Wirkfaktor speziell der Poesietherapie.
Das vierte Kapitel geht nun auf eine qualitative Untersuchung der
Wirkung von fiktionalem Schreiben ein, die an Personen durchgeführt
wurde, welche angaben, schon längere Zeit über fiktionale Texte zu
verfassen. Sie sollten im Interview angeben, welche Wirkung das
Schreiben auf sie habe.
Aus dieser Untersuchung ergaben sich sieben Wirkfaktoren:
lustvolle Tätigkeit
Selbstkenntnis, Selbstfindung
Spiel, Wunscherfüllung
Gestaltung von Erfahrung
Sensibilisierung
Verewigung
Sinnfindung
Die folgenden drei Kapitel widmen sich der Aufgabe, die empirischen
Befunde der in Kapitel 4 beschriebenen Studie mit theoretischen
Überlegungen in Zusammenhang zu bringen und sie somit in
theoretische Erträge zu verwandeln.
Im Abschlusskapitel wird nochmals eine kurze Zusammenfassung der
einzelnen Kapitel gegeben und der Frage nach einer
störungsspezifischen Indikation für fiktionales Schreiben
nachgegangen, die es noch zu untersuchen gelte. Auch wird nochmals
auf die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchungen und Studien
eingegangen und als therapeutisches Potential fiktionalen
Schreibens bzw. als das Heilsame des Schreibens, die Möglichkeit
genannt, durch ein besseres Erkennen der eigenen motivationalen
Bedingungen, reflexiv bestimmen zu lernen, wie viel Gewicht man
einzelnen Tendenzen einräumen möchte.
Das Buch »Schreiben als Therapie?« gibt einen wissenschaftlich
belegten Überblick über dieses, im ersten Moment trivial anmutende
Thema, und zeigt dessen Komplexität und Tiefe auf, welche schon in
den Begriffsdefinitionen deutlich wird. Speziell in Kapitel 7, in
welchem auf den Wirkfaktor der Wunscherfüllung eingegangen wird,
wird oft Bezug auf psychoanalytische Ansichtsweisen genommen.
Zumindest rudimentäre Kenntnisse in diesem Bereich scheinen
essentiell für ein gutes Verständnis.
Alles in Allem wendet sich das Buch an fachlich versierte Personen,
die auch über Methodik und Ablauf von psychologischen
Untersuchungen und Studien Kenntnisse besitzen. Interesse an
Studien impliziert aber ja schon der Titel! Immer wieder wird auch
der Verweis auf bisher nicht oder wenig untersuchte Aspekte dieser
Thematik gemacht, was interessierten Experten auch Anregungen zur
eigenen Forschung geben mag.
Für Sie gelesen von
Barbara De Sousa Teixeira
Idolsberg