Rezension zu Das Geheimnis unserer Großmütter
AEP Informationen. Feministische Zeitschrift für Politik und Gesellschaft. Nr. 4 / 2011
Rezension von Monika Jarosch
Sexualisierte Kriegsgewalt rückte in letzter Zeit in die
Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit durch die Massenvergewaltigungen
der serbischen Truppen gegen die muslimische und kroatische
Bevölkerung in Jugoslawienkrieg, mit deren Motivation die
Bevölkerung zu vertreiben und das Instrument der Vergewaltigung
gezielt zur »ethnischen Säuberung« einzusetzen. Dies führte auch zu
einem internationalen Abkommen, dass Frauen in Kriegen gegen
Vergewaltigungen zu schützen seien. Eine Chronik der sexualisierter
Kriegsgewalt zeigt eine lange Liste auf: Massenvergewaltigungen
deutscher Truppen im Ersten Weltkrieg in Belgien, japanische
Massenvergewaltigungen japanischer Truppen in China, die deutscher
Truppen im Russlandfeldzug, eine Vergewaltigungswelle russischer
Truppen beim Vormarsch nach Berlin, beim Vietnamkrieg durch die
Amerikaner bis hin zum Kuweitkrieg beim Einmarsch der Irakis. Die
Erklärungen für solche Kriegsgewalt sind vielfältig. Die Ansicht,
dass Macht und Dominanzmotive hierbei über einem sexuellen Antrieb
stehen, findet sich vielfach in der zum Thema verfassten Literatur.
Sexualisierte Gewalt sei geschlechtsbezogene Gewalt. Männlichkeit
und Macht des Gegners werde beschnitten. Ausführlich werden in
diesem Buch in den theoretischen Grundlagen die Definition und
Erklärungsansätze beschrieben, die unterschiedlichen Meinungen
dargelegt bis hin zur sexualisierter Kriegsgewalt am Ende des
zweiten Weltkrieges in Deutschland. Gerade diese Geschehnisse sind
lange Zeit und immer noch mit einem Tabu belegt.
Massenvergewaltigungen sind damals geschehen geschätzt wird eine
Zahl von 2 Millionen Frauen. Aber wie damit umgehen? Es wird damit
argumentiert, dass eine Aufarbeitung der vielen Opfer gegen
Kriegsende und somit der Deutschen als Opfer mit Vorsicht zu
genießen sei, um nicht andere zum »Täter« zu machen und von der
eigenen Schuld abzulenken. Kritisiert wird auch der sexistische
Umgang bei der Aufarbeitung der Nachkriegsgeschehnisse, wobei der
Rassismusvorwurf (Täter waren Russen Opfer Deutsche) nicht fehlt.
Der Skrupel vor einem deutschen Opferdiskurs, der zu leicht der
nationalsozialistischen Ideologie zugeordnet werden konnte, war
groß, auch weil vielleicht dann die eigenen Taten zur Sprache
kommen könnten. Ein gänzliches Verbot, den »Großen Bruder«
Sowjetunion anzuklagen, gab es im Osten Deutschlands.
So gliedert sich das Buch in einen Teil mit den theoretischen
Grundlagen, und zentraler Untersuchungsgegenstand sind nach den
Begrifflichkeiten zu sexualisierter Kriegsgewalt die Traumata einer
Generation von Frauen. Untersucht werden Trauma, die
Traumatisierung und mögliche Folgestörungen, speziell die Gefahr
einer späteren Retraumatisierung sowie ausführlich die
Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Der zweite Teil
berichtet über das methodische Vorgehen, Studiendesign,
Testplanung, Erhebungsverfahren und Messinstrumente. Mit 27 Frauen
wurden Interviews und Fragebogenerhebung durchgeführt, bei jeder
zweiten Frau zeigte sich eine voll oder partiell ausgeprägte PTBS,
wobei die Autorinnen sich auch kritisch mit der geringen Stichprobe
und den repräsentativen Folgerungen daraus auseinandersetzen. Die
vorliegende Arbeit will auf die Thematik der Kriegsvergewaltigung
aufmerksam machen, damit seelische Verletzungen zumindest ebenso
ernst genommen werden müssen wie körperliche. Die
Kriegsvergewaltigung geschieht ja heute nach wie vor in
Kriegsgebieten, überall resultieren neben körperlichen Verletzungen
psychische Folgeschäden aus den erlebten sexuellen Übergriffen
sowie aus anderen traumatischen Kriegserfahrungen, wie
Bombardierungen und der Verlust von Menschen oder der Heimat.
Tatsachen, die auch die Asylpolitik mehr berücksichtigen
sollte.