Rezension zu Geld (PDF-E-Book)
Pro Zukunft, 25. Jahrgang, 2011, 3
Rezension von Hans Holzinger
Geldstile
Mehrheitlich auf (leider) sehr hohem Abstraktionsniveau bewegen
sich die Beiträge eines Bandes über »Geld« mit dem Anspruch, die
»Kritische Theorie« mit »psychoanalytischer Praxis« zu verbinden.
Thematisiert wird die Ambivalenz des Geldes, welches zum einen von
tradierten Ordnungen befreie, dabei aber neue Machtverhältnisse,
eben geldvermittelte, schaffe, ebenso wie das Dilemma, was an die
Stelle des Tausches über Geld treten solle, wenn dieses abgeschafft
würde – ein Problem, das im kommunistischen Gesellschaftsbild des
»Vereins freier Menschen« keineswegs befriedigend gelöst werden
konnte, wie Hannes Gießler überzeugend darlegt. Karl Marx hatte
Arbeitscheine als Nachweis für geleistete Arbeit vorgeschlagen,
wobei die Frage offen blieb, welche Instanz Arbeits- und
Konsumanteile zuordnet; Gießler arbeitet auch die Warnung von
Theodor W. Adorno auf, dass »metaökonomische Formen der Herrschaft«
der Willkür Tür und Tor öffneten.
Für die Alltagspraxis relevant erscheint jedoch insbesondere der
Eingangsbeitrag von Rolf Haubl, der seit Längerem unterschiedliche
»Geldstile« erforscht. Ähnlich wie Schmidbauer ortet Haubl Fallen
der Geldkultur. Geldbesitz kenne keine Grenze nach oben, weil er
von den realen Bedürfnissen abkoppelbar sei. Überdies strukturiere
die Logik des Geldes die Bedürfnisse durch »Synchronisierung von
Warenproduktion und Bedürfnisproduktion« (S. 20), was diese
ebenfalls unendlich mache; dies jedoch mit der Tücke, dass eben
alle gekauften Güter »enttäuschungsanfällig« seien. Die
Verselbständigung der Finanzwirtschaft habe, so Haubl, die
Konsumenten schließlich dazu gebracht, ihren konsumintensiven
Habitus auf Finanzprodukte zu übertragen: »Bedeutet Gier das Fehlen
oder Ignorieren von Sättigungsgefühlen, dann gehören Geld und Gier
seit seiner Erfindung zusammen.« (S. 20) Der Sozialpsychologe ortet
bei Finanzangestellten, mit denen er gearbeitet hat, den Druck,
immer mehr Gewinne für die eigene Bank zu erzielen, was mit Boni
belohnt würde, bei Kundenberatern aber zwangsläufig dazu führe,
»Kunden falsch zu beraten, um sich auf deren Kosten zu bereichern,
aber eher noch: um negativen Sanktionen zu entgehen« (S.21).
Was hat dies nun mit der vom Autor entwickelten »Typologie
psychodynamischer Geldstile« zu tun? Haubl vermutet hinter der
unterschiedlichen Weise, wie Menschen mit Geld umgehen,
(verdrängte) Gefühlskonstellationen. Einige Beispiele: Wem Geld zu
einem Gefühl verhilft, vital zu sein, der oder die besänftigt damit
die Angst, »leblos zu werden«. »Geld auszugeben oder gar zu
verschwenden, wird zum Existenzbeweis.« (S. 26) Wer hingegen Geld
hortet, versucht sich so Sicherheit zu verschaffen und besänftigt
die Angst, »hilflos zu werden«. In selber Weise könne Geld zum
Gefühl verhelfen, liebenswert zu sein, was vor der Angst schütze,
gleichgültig behandeln zu werden, oder ein Gefühl von
Unabhängigkeit vermitteln, was die Angst vor Abhängigkeit
vertreibe. Interessant im Zusammenhang mit den Auswüchsen des
Finanzsystems erscheint jener Typ, der Geld mit Erfolg verbindet,
was vor Versagensängsten schütze. Da diesen Personen ein innerer
Maßstab fehle, wählten sie Geld als äußeren Maßstab, so Haubl: »Je
mehr Geld sie machen, desto mehr glauben sie, nicht versagt zu
haben, ohne dass sie letztlich davon überzeugt wären.« (S. 28)
Deshalb müssten sie »immer mehr Geld machen und dürfen auch nur das
tun, was geldwert ist« (ebd.). Schließlich gäbe es noch jene, die
Geld mit Macht gleichsetzen, was deren Angst besänftige, »von
anderen unterworfen zu werden« (S. 29). Bindungen erschienen, so
der Autor, diesen Menschen als Schwäche: »Sie versuchen deshalb,
alles, was sie von anderen brauchen, einschließlich deren
emotionaler Zuwendung, zu kaufen.«(ebd.)
Haubl geht schließlich noch der Frage nach, ob es
geschlechtsspezifische Geldstile gibt, oder anders ausgedrückt, ob
die »Lehman-Sisters« ihre Bank anders geführt hätten. Ohne zu
verallgemeinern, beantwortet der Autor diese Frage mit Ja, da nach
seinen Untersuchungen Frauen Geld vor allem mit Sicherheit und
Selbständigkeit verbänden, Männer jedoch vielmehr mit Erfolg und
Macht, was Letztere zu riskanterem Anlageverhalten treibe.
Betrachtet man diese Zusammenhänge, so erscheint einem wohl die
Forderung Haubls nach »Finanz-Psychotherapeuten« gar nicht mehr so
abwegig!
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