Rezension zu Geld (PDF-E-Book)
Psychologie Heute 38. Jahrgang, Heft 11, November 2011
Rezension von Christine Weber-Herfort
[…] Um über das Thema Geld nachzudenken, waren 2009 Vertreter
zweier kritischer Wissenschaften, der Psychoanalyse und der
Kritischen Theorie, in Leipzig zusammengekommen. In dem
facettenreichen Sammelband »Geld« werden die Paradoxien des Geldes,
die Tauschverhältnisse, aber auch die Honorarforderungen des
Psychoanalytikers untersucht.
In einem herausragenden Beitrag analysiert der Sozialpsychologe
Rolf Haubl die Psychodynamik von Gier und Moralität bei
spekulativen Geldgeschäften. »Geld formt den Sozialcharakter einer
Gesellschaft«, es greife aber auch in den Gefühlshaushalt der
Individuen ein. »In ihrem Geldstil kommt die Persönlichkeit mit
allen unbewältigten lebensgeschichtlichen Traumata und Konflikten
zum Ausdruck.« Auch zwischen den Generationen ergäben sich
Unterschiede im Umgang mit Geld. Während die Alten das Sparen
hochhielten, neige die junge Generation zu einem Risikoverhalten.
So würden aus Kunden auch Mittäter, die nur zu gerne an eine
wundersame Geldvermehrung glaubten.
»Geld macht gierig« so Robert Heim. »Ohne Begierde und Genuss kann
das Geld nicht seine Kraft entwickeln, es bezieht diese aus der in
ihm aufgespeicherten Befriedigung.« Aus Scheiße Geld zu machen,
»dieses alchemistische Versprechen scheint ein spätes Echo im
Finanzkapitalismus zu finden«, so der Psychoanalytiker. Er sieht
darin eine Wiederkehr des Verdrängten. Die scheinbare
Unausweichlichkeit der ökonomischen Krisen sei identisch mit der
Unbewusstheit des gesellschaftlichen Fortgangs. Seine Genealogie
des Geldes dockt an den triebhaften und paradoxen Verbindungen von
Geld und Körper an, wie es die psychoanalytisch gedeutete
Verbindung von Geld und Kot seit Freud zum Ausdruck bringe.
Einen wesentlichen Grund für die Projektionen und Zuschreibungen,
die am Geld hängen, sieht der Sozialwissenschaftler Hannes Gießler
in den bürgerlichen Eigentums- und Produktionsverhältnissen. Für
den jungen Wissenschaftler (Jahrgang 1979) ist Geld »eine
ökonomische Kategorie, die reale Gestalt und Gewalt angenommen hat
und von den Menschen emanzipiert ist«. Doch wie kann sich der
Mensch vom Geld emanzipieren? Der Autor fragt nach bei Marx,
untersucht seine Utopie von der Aufhebung des Geldes. Er verweist
auf eine Leerstelle seines Denkgebäudes, das zu wenig um das
Problem von Herrschaft und Abhängigkeit kreise. Von Marx selbst
nicht intendiert, sei so ein »voluntaristischer Aktionismus«
entstanden. In der Auseinandersetzung mit Marx dürfe aber nicht
vergessen werden, »dass die Gründe, die Marx für die Aufhebung des
Systems allseitiger sachlicher Abhängigkeit angibt,
fortbestehen«
Geld: ein Rätsel, ein Monstrum, ein Mythos.
»… denn Geld hat ganze Städte ausgelöscht, die Menschen fort von
Haus und Hof gejagt, hat Redliche verführt, das reine Herz verwirrt
und auf den bösen Pfad gebracht, den Menschen jede Schurkerei
gezeigt« – heißt es weiter in der Antigone von Sophokles (497-406
v. Chr.).