Rezension zu Der halbe Stern

Neue Zürcher Zeitung am 24.03.2011

Rezension von sab

Erschienen in der »Neuen Zürcher Zeitung« am 24.03.2011

Gratwanderungen
sab. Seit einigen Jahren engagiert sich der in Köln gegründete Verein »Der halbe Stern« für diejenigen, die durch die nationalsozialistischen Rassengesetze als »jüdische Mischlinge« oder als »Geltungsjuden« stigmatisiert und verfolgt wurden. Es handelt sich um Menschen, deren Geschichten bisher wenig bekanntgeworden sind. Diese Verfolgungsgeschichten wurden bei einer Tagung, die der Verein 2009 in Berlin unter dem Titel »Sag bloss nicht, dass du jüdisch bist« veranstaltete, zum ersten Mal systematisch untersucht. Die Beiträge sind nun in einem lesenswerten Band zusammengefasst. In den Aufsätzen beleuchten Pädagogen, Religions- und Kulturwissenschafterinnen, Juristen und Historikerinnen, Soziologen und Psychologinnen die lang anhaltenden Wirkungen der rassistischen Verfolgung. Sie beschreiben die traumatisierende Gratwanderung zwischen Mehrheit und Minderheit sowie die über Generationen hinweg vermittelte zwiespältige Identität aus unterschiedlichen Perspektiven – lebens-, zeit- und kirchengeschichtlich oder auch psychotherapeutisch. In den meisten Aufsätzen verschränken sich – implizit oder explizit, wie die Herausgeberinnen anmerken – die wissenschaftlich verallgemeinernden Betrachtungen mit persönlichen, biografischen Details. Auch deshalb ist die beiliegende DVD von Interviews mit Zeitzeugen eine angemessene Ergänzung zu den Aufsätzen. Auf diese Weise leistet der Sammelband einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung eines zu wenig untersuchten Aspekts der nationalsozialistischen Rassenpolitik.


Mit freundlicher Genehmigung der Neuen Zürcher Zeitung.

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