Rezension zu Richard Wagner: Das Rheingold
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Rezension von Werner T. Fuchs
Ein anderer Zugang zur Oper
Gut möglich, dass mein schwieriges Verhältnis zur Oper seine
Wurzeln in meiner Kindheit hat. Denn der Liebe ist es nicht
unbedingt förderlich, wenn sie erzwungen wird. Und so kam es mir
eben vor, wenn die Lufthoheit bei der Wahl der Fernsehprogramme
meinem Vater gehörte und Alternativen zu Opern mit den schnödesten
Bemerkungen abgewertet wurden. Einigermaßen normalisiert hat sich
meine Beziehung zu Opern erst seit meiner Italienjahre. Doch mit
Wagner tue ich mich noch immer schwer. Und da ich öfters von
Wagnerfans umzingelt bin, machte ich mit diesem Buch von Bernd
Oberhoff einen neuen Versuch, den Ring der Nibelungen zu
verstehen.
Diese Einleitung setze ich meiner Besprechung voran, weil ich
annehme, es könne anderen Lesern ähnlich ergehen. Und weil der
Versuch bei mir geglückt ist: Dem dipl. Psychologen,
Musikpsychoanalytiker und Gruppenanalytiker Bernd Oberhoff ist es
nämlich gelungen, mich mit seinen Thesen und Vermutungen zu
fesseln. Und vor allem eröffnete er mir einen anderen Zugang zum
Werk Richard Wagners. Die Tür tat sich schon einen Spalt weit in
der Einleitung auf, in der vom speziellen Umgang mit Mythen die
Rede ist und eine erste Verbindung zwischen Künstler und
Psychoanalytiker geschaffen wird. Und selbstverständlich nimmt der
Autor auch Bezug auf das Werk von Sigmund Freud.
Psychoanalytisch einigermaßen eingestimmt, geht es dann mit dem
Kapitel »Wo alles begann: Im Es« los. Wer von der Lektüre einen
Gewinn will, muss sich also damit abfinden können, dass in diesem
Buch mit den klassischen Begriffen von Freud gearbeitet wird. Wer
das Werk Freuds pauschal ablehnt, soll also auch die Finger von
diesem Büchlein lassen.
Die 46 so genannten Leitmotive führt Bernd Oberhoff auch als
Notenbeispiele auf. Die kann ich zwar halbwegs lesen, aber sicher
nicht so hören, wie es der Autor vielleicht voraussetzt, um seinen
Erläuterungen wirklich folgen zu können. Aber bei besonders
interessanten Stellen, habe ich mich dazu überwunden, die CD
hervorzuholen und die entsprechende Passage zu hören. In einige
Fällen sogar mehrmals, was auch für Bernd Oberhoff spricht.
Ich teile die Meinung der meisten Wagnerspezialisten, dass die
Ring-Tetralogie als Entwicklungsdrama konzipiert ist. Allerdings
als Drama, und darauf weist auch Oberhoff hin, das seinen Ausgang
in einer Lebenszeit nimmt, die vor unserer bewussten Erinnerung
liegt. Es ist daher alles andere als einfach, dem Geschehen von
Wagners Ring einen Sinn abzugewinnen, der über individuelle
Momentaninterpretationen hinausgeht.
Mein Fazit: Der Autor dieses psychoanalytischen Opernführers hat
auch eine umfassende Studie zu Wagners Ring verfasst. Auf dieses
verweist er auch die Leser, denen 137 Seiten zu wenig sind. Mir
genügt, was Bernd Oberhoff auf knappem Raum zum Verständnis der
Ring-Tetralogie zu sagen hat. Jedenfalls fand ich es so
interessant, dass ich das wenig berauschende Layout bei der
Bewertung nicht berücksichtige.
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