Rezension zu Gefühlserbschaft und Rechtsextremismus
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Rezension von Gideon Botsch
Der Ausgangspunkt von Lohls Überlegungen ist die Einsicht, dass
sowohl »in der sozialwissenschaftlichen Beschäftigung mit
Rechtsextremismus als auch in der Forschung zu den
generationsübergreifenden Folgewirkungen des Nationalsozialismus
[…] das Verhältnis von Intergenerationalität und Rechtsextremismus
nicht systematisch untersucht« werde (18). Zu Recht meint der
Autor, dieses Verhältnis sei »nicht nur zu erklären …, sondern
selbst ein Erklärungsfaktor der Entwicklung rechtsextremer
Orientierungs- und Handlungsmuster« (21). Hierbei kann sich Lohl
auf einige in der politikwissenschaftlichen
Rechtsextremismusforschung noch zu wenig rezipierte empirische
Befunde, beispielsweise aus den Studien von Inowlocki oder Köttig,
stützen. Dem Problem begegnet er in seiner breiten, für die
Veröffentlichung noch gekürzten Studie durch eine theoretisch
orientierte psychoanalytische Diskussion, deren Referenzpunkte bei
Freud, Adorno und den Mitscherlichs zu finden sind. Seinen
zentralen Begriff der »Gefühlserbschaft« handelt Lohl im vierten
Kapitel in einem »Exkurs« ab; eine griffige Definition findet sich
hier nicht. Das eigentliche Thema, der intergenerationeller
Zusammenhang zwischen der »in der nationalsozialistischen
Gesellschaft vorherrschende[n] affektiven Integration in die
imagined community der ›Volksgemeinschaft‹« (18) und der Entstehung
und Entfaltung rechtsextremer Orientierungen in der
Enkelgeneration, bleibt dann auf die letzten 80 Seiten des Buches
beschränkt. Einige Abschnitte des Buches, etwa die kritische
Würdigung der Studie »Opa war kein Nazi« (Welzer u. a. 2002), sind
unbedingt lesenswert. Indes verzichtet Lohl auf eigene Empirie,
stellt seine Thesen also nicht auf die Probe und bleibt so
letztlich auch den Nachweis ihrer Gültigkeit schuldig. Es wäre
wünschenswert, wenn seine Anregungen durch weitere Forschungen zum
Verhältnis von historischem Nationalsozialismus und aktuellem
Rechtsextremismus vertieft werden könnten.