Rezension zu Trauma im Film

www.kino-zeit.de (August 2011)

Rezension von Sonja Hartl

Zwischen Psychoanalyse und Filmen gibt es einige Gemeinsamkeiten: Beide kamen Ende des 19. Jahrhunderts auf, wurden anfangs belächelt und später anerkannt. Außerdem sind sie sehr aneinander interessiert: Filmemacher greifen auf psychoanalytische Theorien zurück, während wiederum Psychoanalytiker die Filme deuten. In dem Buch »Trauma im Film« hat sich nun eine Gruppe von Psychoanalytikern mit Filmen beschäftigt, in denen verschiedene Arten der Traumatisierung thematisiert werden. Die Auswahl der analysierten Filme deckt eine große Bandbreite ab: Anhand von Filmen wie, »Wolke 9«, »21 Gramm«, »Lost Children« und »Nichts als Gespenster« werden Beziehungstraumata, Angriffe auf die körperliche Integrität, Traumatisierung durch politische und kriegerische Gewalt sowie kumulative Traumatisierungen behandelt. Dabei werden in fast allen Beiträgen interessante Interpretationsmöglichkeiten aufgezeigt, die einen anderen Zugang zu den Filmen eröffnen – auch wenn sich die einzelnen Artikel in sprachlicher und stilistischer Qualität sehr unterscheiden.

Schon die Ausgangsbasis des Buches ist interessant. Manche Filme geben den Zuschauern die Möglichkeit, eine Krise oder traumatische Erfahrung zu durchleben, und führen dadurch zu einer Katharsis. Dabei gehen die Autoren davon aus, dass der Zuschauer sich im Kino sicher und geborgen fühlt, so dass er sich auf einen »kreativen Austausch mit der Erzählung des Films« einlässt. Hierfür gibt der Zuschauer die Kontrolle seines Bewusstseins in einem geschützten Raum auf und nimmt an der Reise eines Protagonisten teil, der eine Entwicklung durchlebt, die eine zerstörte Ordnung wieder herstellt. Somit schafft der Film eine Narration, durch die das Trauma in Sprache gefasst werden kann.

Gemäß dieser Herangehensweise versammeln die einzelnen Beiträge spannende Interpretationsansätze. Beispielsweise analysiert Ingrid Prassel bei »Catch Me If You Can« die Hochstapelei des Protagonisten Frank (Leonardo DiCaprio) als Lösungsversuch einer traumatischen Beziehungserfahrung und konstatiert eine Aufspaltung des Vatersbildes im Verlauf des Films. Auf der einen Seite steht Franks leiblicher Vater (Christopher Walken), ein haltloser Träumer, auf der anderer Seite der FBI-Agent Carl Hanratty (Tom Hanks), der das Gesetz und die Ordnung vertritt. Frank sucht nun eine heile Familie, aber sowohl sein Vater als auch Carl haben ihre Kinder längst verraten. Hier wird Frank nicht fündig, sondern erst als er diese Suche aufgibt und eine freundschaftliche Beziehung zu Carl eingeht, innere Zufriedenheit finden.

Die Interpretationen des Buches sind aufschlussreich, beschränken sich allerdings zumeist auf inhaltliche Aspekte. Dadurch drängt sich oftmals der Gedanke auf, dass die einzelnen Beiträge durch die Mitarbeit von Filmwissenschaftlern und die damit einhergehende zusätzliche Berücksichtigung von filmischen Mitteln gewonnen hätten. Schon in der Einleitung wird dieses Fehlen deutlich. Denn neben den interessanten Ausführungen zu den Trauma-Definitionen wäre ein historischer Blick auf die psychoanalytische Beschäftigung mit Filmen wünschenswert gewesen.

»Trauma im Film« ist ein weiteres Buch aus dem Gießener Psychosozial-Verlag, das sich dem ergiebigen Zusammenwirken von Psychoanalyse und Filmen widmet. Dieses Thema ist äußerst reizvoll und verdient weitere Aufmerksamkeit. Daher bleibt zu hoffen, dass weitere Publikationen folgen – und es in diesen zu einer Zusammenarbeit von Psychoanalytikern und Filmwissenschaftlern kommt.

zurück zum Titel