Rezension zu Leben in Patchwork-Familien
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Rezension von Sonja Deml
Wie Bonuseltern Probleme in der Patchworkfamilie lösen
Der Begriff »Stieffamilie« ist out. Der dänische Familientherapeut
Jesper Juul hat den optimistischeren Terminus »Bonuseltern«
eingeführt, was auf eine positive Erweiterung des Familiengefüges
hindeutet. Dennoch ist es für die Kinder und die beteiligten
Erwachsenen schwierig, sich zu arrangieren. Juul beschäftigt sich
wie der deutsche Psychologe Gerhard Bliersbach, der selbst in einer
Patchworkfamilie lebt, mit den gängigen Problemen und beide
schlagen Lösungswege vor. Wir schauen uns das mal aus der Sicht des
Bonuselternteils an…
Kontaktaufnahme mit den Bonuskindern
Kinder erfassen die Persönlichkeit von Erwachsenen messerscharf.
Deshalb, so Juul, versuchen Sie nicht, sich einzuschmeicheln oder
eine Rolle zu spielen, sondern öffnen Sie Ihr Herz und seien Sie
natürlich. Nehmen Sie die Bonuskinder so an, wie sie sind. Stellen
Sie nicht nur Fragen, sondern erzählen Sie von sich. Zwingen Sie
den Bonuskindern nichts auf, wozu sie nicht bereit sind. Kinder
hassen Aufdringlichkeit; lassen Sie den Kindern das Tempo
bestimmen. Schlagen Sie vor, mal was alleine mit den Bonuskindern
zu unternehmen.
Was kommt mit der Patchworkfamilie auf mich zu?
Sie können den leiblichen Elternteil nicht ersetzen, sondern müssen
Ihren eigenen Platz in der Familie finden. Es gibt nach Bliersbach
eine naturwüchsige Konkurrenz zwischen leiblichem Elternteil und
Ihnen. Rechnen Sie mit der eigenen Tendenz zur Rivalität und
beobachten Sie sich gut. Sie müssen sich nicht nur mit den Kindern,
Ihrem Partner bzw. Ihrer Partnerin arrangieren, sondern auch mit
der/dem Ex, der Verwandtschaft und Freunden, die Ihnen gegenüber
vielleicht skeptisch sind.
Wann sollen wir zusammenziehen?
Sie sind verliebt und möchten zusammenziehen, aber was ist mit den
Kindern? Je destruktiver das vorige Familienleben war, desto
schwerer haben es die Bonuskinder. Juul rät, nach der Scheidung
mindestens zwei Jahre zu warten, ehe man zusammenzieht. Null- bis
dreijährige Kinder haben weniger Probleme, mit der neuen Lage
zurechtzukommen, vier- bis 13jährige haben es am schwersten.
Darf ich mich in die Erziehung einmischen?
Beide Autoren stimmen überein, dass es Jahre dauert, bis Sie die
Erziehung aktiv mitgestalten können, sonst bekommen Sie evtl. »Du
hast mir gar nichts zu sagen!« zu hören. Sie haben die Grenzen
überschritten und sollten diesen Satz zunächst hinnehmen und
versuchen, ihn zu entschärfen. Trotzdem dürfen Sie Ihre eigenen
Grenzen deutlich machen und einen fairen Umgang fordern. Vermeiden
Sie Grundsatzdiskussionen mit dem leiblichen Elternteil über
Kindererziehung. Führen Sie konstruktive Gespräche darüber, was Sie
auf dem Herzen haben, denn die Vermeidung eines Konflikts hält ihn
nur lebendig. Besser ist es, sich als erwachsener Freund der
Kinder, nicht als Erzieher einzubringen. Bliersbach fügt hinzu,
dass das Aushandeln der Erziehungsprinzipien Sache der Eltern ist.
Wenn es nicht gelingt, können Sie sich einbringen.
Sollen die Kinder entscheiden, bei welchem Elternteil sie sein
möchten?
Fragen wir Bliersbach – er sagt klar »nein«, denn die Kinder können
nicht entscheiden, in welchem Rhythmus sie bei welchem Elternteil
sein möchten. Sie spüren, dass sie dadurch einen Elternteil
bevorzugen und den anderen kränken. Besser ist es, die leiblichen
Eltern besprechen die Situation mit den Kindern und finden deren
Wünsche heraus. Sie als Bonuselternteil können Ihre Meinung äußern,
aber müssen die Lösungsfindung der ursprünglichen Familie
überlassen und Ihren Rhythmus darauf abstimmen.
Ich bin eifersüchtig auf die Kinder
Die Kinder sind die Nummer eins und darauf müssen Sie sich
einstellen. Sie haben einen gesonderten Stellenwert, aber die
Elternliebe unterscheidet sich fundamental von der erotischen Liebe
zwischen Erwachsenen. Es gibt keinen Grund zu Konkurrenzdenken.
Wenn Sie zu fordernd sind, werden Sie schnell disqualifiziert.
Sagen Sie Ihrem Partner in einem ruhigen Moment, dass Sie sich
nicht genug geachtet fühlen, so Juul.
Umgang mit dem/der Ex
Der leibliche Elternteil ist durch die Kinder anwesend. Sie
repräsentieren ihn in ihrem Aussehen, ihren Gesten, ihren
Überzeugungen, so Bliersbach. Auch wenn Sie sich nie zu Gesicht
bekommen, haben Sie eine Beziehung zueinander. Juul schlägt vor, so
früh wie möglich Kontakt zu ihm/ihr aufzunehmen. In einem
persönlichen Treffen können Sie sich ein Bild voneinander machen
und es öffnet sich ein (formeller) Kommunikationskanal. Der/die Ex
wird zu einem einflussreichen Teil Ihres Lebens.
Es gibt geschiedene Eltern, die befreundet sind. Das hat nur selten
positive Seiten, sondern gibt dem Bonuselternteil unweigerlich das
Gefühl, das dritte Rad am Wagen zu sein.
Streit: Zu wem soll ich halten?
Niemand sollte in die Lage gebracht werden, sich entscheiden zu
müssen. Wer sich auf eine Seite schlägt, vergrault die andere. Alle
haben ein schwieriges Beziehungsmanagement zu leisten: den Kindern
gegenüber loyal sein, die Partnerschaft vertiefen, die Rolle des
Bonuselternteils festigen, aber gleichzeitig den abwesenden
Elternteil in seiner Bedeutung erhalten. Das birgt
Konfliktpotenzial. Ich schließe mich Bliersbach an, wenn er sagt,
die Kunst der Familiengestaltung liegt darin, balancierte
Beziehungen zu mehreren Menschen gleichzeitig gestalten und
aufrechterhalten zu können. Sie sollten sich weniger als
Entscheider, sondern als Vermittler betrachten. Das sichert Ihnen
zumindest die Anerkennung durch den Partner bzw. die Partnerin.
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