Rezension zu Unbewusstes (PDF-E-Book)
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Rezension von Stephanie Sandig
Das Buch »Unbewusstes« von Günther Gödde und Michael B. Buchholz
stellt in prägnanter Art und Weise die Bedeutung und Entwicklung
des Begriffs des »Unbe-wussten« sowohl aus psychologischer, als
auch philosophischer Sicht dar.
Nicht nur für Psychotherapeuten lohnt es sich dieses Buch zu lesen,
auch für Psy-chologiestudentenInnen stellt es eine interessante
Lektüre dar. Dabei sollte aber an-gemerkt werden, dass einige
fachspezifische Kenntnisse, vorrangig aus dem Bereich der
Klinischen Psychologie, zum Verstehen durchaus hilfreich sein
können.
Gödde und Buchholz verzichten auf die klassische Strukturierung
durch Kapitel mit Untertiteln – auch wenn es das Inhaltsverzeichnis
so aufzeigt. Vielmehr wird der Le-ser in einem »Fluss« durch das
Buch geführt, man traut sich gar nicht das Buch zur Seite zu legen.
Hat man es doch getan, macht es einem die doch stark
wissenschaft-lich und philosophisch ausgerichtete Erzählweise nicht
gerade einfach sich wieder in die Thematik einzufinden.
Nichtsdestotrotz weckt die Thematik Interesse: Der an-fängliche
geschichtliche Abriss der Entwicklung des Begriffs des
»Unbewussten« erscheint zwar etwas trocken und komprimiert, die
Überleitung zum eigentlichen Thema, nämlich die Unterscheidung
zwischen einem horizontalen und einem vertika-len Modell des
Unbewussten, gestaltet sich jedoch sehr spannend. Durch viele
Bei-spiele wird die Thematik anschaulich an den Leser
herangetragen.
Gödde und Freud leiten in das Thema des »Unbewussten« ein, indem
sie die vor-herrschende Kontroverse, sowohl in Psychologie und
Philosophie, als auch anderen Wissenschaften darstellen. Gleich zu
Beginn wird auf bekannte Größen wie Freud, Nietzsche, Schopenhauer
und Herbart und weitere eingegangen, auf die im Laufe des Buches
immer wieder verwiesen wird. Nachfolgend werden die beiden Modelle
vom »vertikalen« und »horizontalen« Modell des Unbewussten einzeln
und detailliert erläutert. Während das vertikale Modell auf die
»Tiefe« der Psyche des Menschen abzielt und mit Begriffen wie
Verdrängung und Repression charakterisiert wird, wird das
horizontale Modell eher als eine Art Resonanzraum, abhängig von
Interaktionen und sozialem Gefüge, gesehen.
Zunächst beschreiben und diskutieren die Autoren drei
hauptsächliche Kontroverse über Bewusstsein und Unbewusstsein
historisch, angefangen im 18. Jahrhundert bei Leibniz und
Descartes, über Romantik und Aufklärung unter Herders Philosophie,
bis hin zur Wende der Trieblehre im 19. Jahrhundert unter Nietzsche
und Schopenhauer. Letzterer prägte erstmals den Begriff der
»Verdrängung«. Nietzsche entwickelte die-se Theorie weiter in der
sogenannten »entlarvenden Psychologie«. Mit der herbartia-nischen
Psychologie, schließlich ziehen die Autoren einen Bogen und beenden
die historische Darstellung mit Verweis auf Freud und dessen starke
Auseinanderset-zung mit dem »Unbewussten«.
Im zweiten Teil des Buches wird das horizontale Modell als System
sozialer Reso-nanzen näher beschrieben. Selbst der renommierteste
Psychoanalytiker ist nichts ohne seinen Gegenüber, den Patienten.
Menschen leben durch Interaktion miteinan-der. Ohne ein soziales
Gefüge können wir nicht existieren. Diese Auffassung
imple-mentieren die Autoren in den Kontext der Psychotherapie.
Viele Experimente, darun-ter auch einige bekannte Klassiker,
verdeutlichen die Wichtigkeit emotionaler und sozialer Bindungen.
Und genau darauf zielt das horizontale Modell ab: Patient und
Therapeut müssen »nebeneinander« arbeiten! Der Therapeut muss sich
in den Pati-enten einfühlen, auf der »horizontalen Linie« im
Gleichschritt gehen, erst dann kann eine Verlagerung in die Tiefe,
in »die Vertikale«, erfolgen. Die Autoren schließen ihr Werk mit
einem Verweis auf die psychodynamische Psychotherapie ab, die im
Bezug auf vertikales versus horizontales Modell zukünftig noch
einige Erkenntnisse zu brin-gen hat.
Man ist doch recht überrascht, wenn das Buch nach 127 Seiten schon
endet. Alles in Allem ist diese Lektüre für Fachinteressierte sehr
spannend und regt zu weiterer Auseinandersetzung mit dem Thema
an.