Rezension zu Perversion
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Rezension von Ann-Kathrin Günter
Das Buch »Perversion« des Psychiaters, Psychoanalytikers und
Sexualwissenschaftlers Wolfgang Berner erscheint als dritter Band
der neuen Reihe »Analyse der Psyche und Psychotherapie« 2011 im
Psychosozial-Verlag, welche grundlegende Konzepte der Psychoanalyse
erläutert. Das Taschenbuch im Kleinformat widmet sich somit einem
Thema, das trotz seiner langen Historie in der Psychoanalyse nichts
an Aktualität eingebüßt hat (so wurde beispielsweise ein Artikel,
der eine Neukonzeption des perversen Spektrums behandelt, für das
soeben erschienene »Jahrbuch der Psychoanalyse« ausgewählt).
Zu Beginn der Einleitung gibt der Autor direkt einen gelungenen
»Advance Organizer«, der einen Überblick über jedes einzelne
Kapitel gibt. Via Nachzeichnung der historischen Entwicklung, sowie
Bezugnahme auf neuere wissenschaftliche Perspektiven, setzt sich
das Buch nach eigener Angabe zum Ziel, das Basiswissen zum Thema
Perversion auf etwa 130 Seiten zu vermitteln.
Obwohl nicht explizit so gekennzeichnet, beschäftigt sich etwa die
Hälfte des Buches mit theoretischen Ansichten, während der andere
Teil ebenjene theoretische Ebene mit vielgestaltigen Fallbeispielen
praktisch greifbar macht.
Das erste Kapitel »Klassifikationen in der Psychiatrie« stellt
zunächst den Bezug zu den gängig verwendeten
Klassifikationssystemen ICD-10 und DSM-IV her, indem der Autor
beschreibt, wie über die Jahre eine Veränderung eines ehemals
normativ geprägtem Perversionsbegriffs hin zum heutigen Verständnis
von perversen Störungen und den damit verbundenen
Neobegrifflichkeiten der »Paraphilien«, beziehungsweise »Störungen
der Sexualpräferenz«, stattfand.
Die nächsten beiden Kapitel beschäftigen sich mit der »Entwicklung
des psychoanalytischen Perversionsbegriff« sowie dem Konzept des
Triebs als »Grenzbegriff zwischen Psyche und Körper«. Hier
skizziert der Autor nach und nach die unterschiedlichen
Konzeptionen der Perversion, setzt diese zueinander und zu anderen
einflussreichen Konzepten (wie beispielsweise Winnicotts
Übergangsobjekt) in Verbindung und liefert gar einige eigene
theoretische Integrationsvorschläge.
Mein Highlight des Buches stellt eindeutig das darauf folgende
Kapitel »Erscheinungsformen der Perversion« dar. Hier gelingt es
dem Autor die unterschiedlichen Perversionsarten wie beispielsweise
Fetischismus, Sadomasochismus oder Exhibitionismus durch die
abwechselnde Darstellung von Fallbeispielen, sowie auf diese
bezogenen theoretischen Überlegungen, anschaulich zu
charakterisieren. Dynamik der Perversionsentstehung, Eindrücke aus
der Psychotherapie, diagnostische Einordnung, sowie das jeweils
zentrale Kernthema der jeweiligen Perversion werden jeweils kurz
dargestellt.
Im letzten Teil des Buches »Konsequenzen für die
psychotherapeutische Arbeit« schildert der Autor die
Schwierigkeiten und Besonderheiten in Therapie und
Interventionstechnik bei Patienten mit Störungen innerhalb des
perversen Spektrums und setzt sich mit dem »Dilemma in der
Behandlung pervers-erotischen Übertragungen« auseinander.
Alles in Allem gelingt es dem Autor das komplexe Thema komprimiert
und bemerkenswert verständlich zu behandeln. Die meisten Fachwörter
werden, bis auf wenige Ausnahmen, vom Autor entweder kurz erläutert
oder so in den Fließtext eingebunden, dass sie auch für
Nicht-Experten meist intuitiv verständlich werden.
Ein weiter Pluspunkt stellt meines Erachtens die Art und Weise dar
wie der Autor auch verhaltenstherapeutische und pharmakologische
Aspekte zu einzelnen Themen mit einbezieht. Dies geschieht nämlich
nicht mit der vielerorts beobachteten Degradierung der anderen
Disziplinen, sondern sogar unter dem Verweise, dass die kognitive
Verhaltenstherapie einen besseren Effekt bei Straftätertherapien
erbrachte als »einsichtsorientierte Therapien«.
Mein Fazit: Als Einführung und Überblickswerk hervorragend
geeignet!