Rezension zu Trauma (PDF-E-Book)
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Rezension von Mirijam Köhler
Das Buch »Trauma« von Mathias Hirsch gehört zu der Reihe »Analyse
der Psyche und Psychotherapie«. Anhand von psychoanalytischen
Konzepten werden Entstehungs- und aufrechterhaltene Faktoren
psychischer Traumata erläutert. Das Augenmerk der Beispiele und
Diskussionen wurde in diesem Werk vor allem auf
Borderline-PatientInnen und Misshandlungen in Kindheitsjahren
gelegt.
Einführend wird der Leser über den geschichtlichen Hintergrund von
psychoanalytischen Traumakonzepten, sowie über den Begriff des
Traumas in der heutigen Psychoanalyse aufgeklärt. Im weiteren
Verlauf des Buches finden sich informative Kapitel zur (aktiven)
psychoanalytischen Therapie mit traumatisierten Patienten in
Einzel- und Gruppensitzungen. Des Weiteren ist in einem
Schwerpunktkapitel über das heiß diskutierte Thema der Übertragung
und Gegenübertragung in der Psychotherapie zu lesen; es wird die
Unterscheidung von chronischem und einmaligem Trauma angeführt,
sowie ihre »Zugehörigkeit« zur jeweiligen psychotherapeutischen
Richtung (PSA oder VT). Im sich anschließenden ersten Kapitel,
welches einen geschichtlichen Überblick über die Entwicklung der
psychoanalytischen Traumakonzepte aufzeigt, wird zudem der Verlauf
einer »Realitätsentfernung« des Traumas bis zur Wiederannäherung an
die Realität (»das Trauma wird wieder Beziehungsaspekt«)
beschrieben. Hier finden sich besonders viele verschiedene
Traumakonzepte von den unterschiedlichsten Psychoanalytikern der
Vergangenheit und Gegenwart; angefangen bei Freud bis heute. Diese
werden prägnant zusammen gefasst und finden eine Erklärung, wie es
zu der Entwicklung des jeweiligen spezifischen Begriffes kam. Im
zweiten Kapitel »Trauma heute« wird die Diskussion aus der
Einleitung bezüglich der chronischen und akuten Traumatisierung
wieder aufgegriffen und in selben Zuge thematisiert Herr Hirsch
weniger beachtete Möglichkeiten, zum Beispiel die der sequenziellen
Traumatisierung, als Verfahren in der psychoanalytischen Therapie.
Er diskutiert außerdem die Problematik der Begrifflichkeit »Trauma«
– die Benennung »Trauma« passe nicht immer auf die traumatische
Symptomatik, vor allem im Vergleich der »erinnerbaren« und der
»non-erinnerbaren« (Amnesie) Traumata. Anhand der zerstörten
Symbolisierungsfähigkeit werden verschiedene Zeitpunkte des
»Auftretens« von Traumata (beispielsweise früh - und spätkindliche)
sowie deren spezifische Auswirkungen innerhalb der Familie
besprochen. Es stellt sich dem Autor die Frage, ob diese ineinander
übergehen, sie also gar nicht zu trennen sind, oder ob es sich
möglicherweise um ein (frühes) Mutter-Trauma und ein (spätes)
Vater-Trauma handele.
Ein kurzer Einblick wird in das interessante Thema der
transgenerationellen Weitergabe gegeben; jedoch ist für eine
ausführliche Beschäftigung mit diesem Thema das vorliegende Buch
(verständlicherweise auf Grund des Umfangs) weniger geeignet.
Das Kapitel der psychoanalytischen Therapie mit traumatisierten
Patienten gibt eine knappe Darstellung über die psychoanalytischen
Vorgehensweisen bei Traumapatienten. Untermalt wird dies durch
geschichtliche Hintergrundinformationen einiger Psychoanalytiker,
wie Freud und Ferenczi. Herr Hirsch zeigt hier Probleme auf, die in
der Therapie durch eine »technisch-neutrale« Haltung des
Therapeuten entstehen können. In folgenden Kapiteln widmet er sich
weiterhin problematischen Situationen, die durch die Konzepte der
Übertragung und Gegenübertragung entstehen können.
Ein generelles Thema des Buches ist darüber hinaus das der
Übertragung und Gegenübertragung (siehe oben). Der Autor
diskutiert, ob diese Begrifflichkeiten überhaupt noch statthaft
sind und, dass durch diese Phänomene einige Therapeuten derart
»eingeschüchtert« seien, dass sie mittlerweile zu anderen
therapeutischen Hilfsmitteln, wie Gedankenstopp, Gegengedanken und
Ähnlichen, zum Aufbau von Abwehr greifen, also eigentlich
verhaltenstherapeutisch handeln. Herr Hirsch vertritt die Ansicht,
dass dies allein nicht genügend sei und plädiert für die
Notwendigkeit des abgeschwächten Wiedererlebens des Traumas, damit
der Patient sich weiterentwickeln kann in seiner Traumabearbeitung.
Diese oben genannten Techniken würden an denjenigen Patienten
vorbei gehen, die die »verinnerlichte Beziehungsdynamik« entäußern
wollen. Der Autor ist der Meinung, dass Übertragung und
Gegenübertragung nur dann beibehalten werden sollten, wenn damit
das Erleben des Analytikers gemeint ist – und nicht das des
Analysanten. Des Weiteren benennt er weitere Dimensionen, wie
beispielsweise die der projektiven Identifikation. Im Folgenden
führt Herr Hirsch den Begriff des »Enactments«, dem gemeinsamen
Handeln des Therapeuten und des Patienten, ein. Im Zuge dessen wird
diskutiert, ob es sich dabei und bei der Identifikation um vom
Patienten erzwungene, provozierte Vorgänge handelt. Weiter findet
der Leser im Buch (stets kurze) Kapitel bezüglich der Themen
Sexualität und (Übertragungs-) Liebe, in denen Hirsch das Paradoxon
des »etwas tun durch Nichtstun« des Therapeuten diskutiert, sowie
Schuldgefühle in der Therapiebeziehung. Im Zuge dessen wird die
Kind-Metapher eingeführt, durch welche der Zugang zum
»traumatisierten Kind im Patienten« erleichtert werden könne.
Im Sinne des psychodramatischen Mitagierens wird erneut Bezug auf
die Aufgaben des Therapeuten genommen; dieses ist beispielsweise
(laut Hirsch) notwendig, um die Assoziationsbereitschaft des
Patienten anzuregen. Auch wird über das Wie und Was berichtet, was
in welcher Phase der Therapie geschehen sollte (beispielsweise
Containing, und Anderes); der Therapeut müsse quasi
schauspielerische Fähigkeiten besitzen, um verschiedene Rollen an
zu nehmen (je nach »Bedarf« Täter oder Opfer in der
Gegen-/Übertragung). Interessant ist in den letzten Kapiteln der
Einzel- und Gruppentherapie ebenfalls das Thema des Umgangs mit
Aggressionen in der Therapie. Unter anderem erhält der Leser so
einen schönen Einblick, besonders durch die intensive
Thematisierung der Übertragung und Gegenübertragung, auch in die
»inneren« Vorgänge des Analytikers.
Das Buch »Trauma« liest sich im Großen und Ganzen recht gut und
kann besonders durch die vielen Beispiele aus der Praxis und den
persönlichen Anmerkungen des Autors das Interesse des Lesers
kontinuierlich aufrechterhalten. Einem (mehr oder weniger großen)
Laien fällt es jedoch stellenweise schwer, besonders in den ersten
Kapiteln des Buches, einen verständlichen Lesefluss aufzubauen, da
einige Fachbegrifflichkeiten nicht, oder erst spät, im Text
erläutert werden. Als Studentin, die an ihrer Uni kaum
Möglichkeiten an psychoanalytischer Ausbildung hatte, hätte ich mir
eine regelmäßige kurze und prägnante Begriffserklärung, wie sie
bereits an einigen Stellen im Buch zu finden ist, gewünscht. Diese
kurzen Erläuterungen, meist in Klammern, habe ich beim Lesen als
sehr angenehm empfunden und kann nicht behaupten, dass der
Lesefluss dadurch gestört würde. Somit denke ich, dass es auch
interessierte Experten nicht stören sollte, wenn es häufiger zu
diesen informativen Klammern gekommen wäre. Durch die Aufführung
von zahlreichen Autoren und direkten Zitationen derer, wird dem
interessierten Leser eine gute Möglichkeit zur weiteren
Literaturrecherche gegeben. Für einen ersten Überblick über das
weite Feld des Themas »Trauma« mit seinen vielfältigen
Entstehungsursachen aus psychoanalytischer Sicht ist dieses
handlicheTaschenbuch sicher eine gute Wahl. Besonders dann, wenn
man zu all den bestehenden und ehemaligen Konzepten einen
(geschichtlichen) Überblick erhalten möchte.